Interview mit Handwerks-Präsident Hans Peter Wollseifer "Der Steuer-Bonus für Handwerker verhindert Schwarzarbeit"

Düsseldorf · Was halten Sie davon, dass die SPD den Steuerbonus infrage stellen will?

 Hans Peter Wollseifer ist Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks.

Hans Peter Wollseifer ist Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks.

Foto: dpa, pil fpt

Was halten Sie davon, dass die SPD den Steuerbonus infrage stellen will?

Wollseifer: Davon gehe ich nicht aus. Denn die SPD hat aus guten Gründen das Instrument aus der Taufe gehoben und stets unterstützt. Im Übrigen steht die Wirkung doch außer Frage. Schwarzarbeit wird so verhindert, das stellen sowohl das Bundesfinanzministerium, wie auch der Schwarzarbeitsexperte Prof. Friedrich Schneider aus Linz fest. Mehr Aufträge gehen an legal arbeitende Betriebe. Das trägt zur Stabilisierung von Umsatz und vor allem der Beschäftigung tariflich entlohnter Arbeitskräfte bei. Wir dürfen nicht vergessen, dass bis 2005 zehn Jahre lang die Beschäftigung im Baugewerbe drastisch eingebrochen ist.

Wie viel legale Aufträge hat er den Betrieben bislang gebracht?

Wollseifer: Zahlen melden die Betriebe uns ja nicht. Die von der Schwarzarbeit besonders betroffenen Bau- und Ausbauhandwerke sind aber dank der Maßnahmen der Bundesregierung von der jüngsten Krise nicht so stark wie befürchtet betroffen gewesen. Seit die privaten Haushalte die Vorteile des Steuerbonus dank zahlreicher Presseveröffentlichungen kennen, wird er verstärkt in Anspruch genommen.

Können Sie die SPD denn umstimmen?

Wollseifer: Das wird nicht nötig sein. Der Steuerbonus steht nicht zur Disposition. Das hat mir heute auch Minister Garrelt Duin in Düsseldorf versichert, der nicht nur das Wort Handwerk im Titel führt, sondern das Handwerk auch bestens kennt.

Ist das Handwerk denn zu Veränderungen bereit?

Wollseifer: Wir haben schon reagiert. Das Bundesfinanzministerium hat ja bereits im Januar festgelegt, dass gesetzlich vorgeschriebene Tätigkeiten etwa von Schornsteinfegern nur noch eingeschränkt abzugsfähig sind und die Leistungen eines Gutachters nicht mehr als haushaltsnahe Dienstleistungen steuerlich begünstigt werden. Wenn aber der Steuerbonus weiterentwickelt werden soll, dann macht es Sinn, eine Zusammenlegung mit dem Bonus auf haushaltsnahe Dienstleistungen in Höhe von bis zu 20.000 Euro zu überlegen. Innerhalb dieses Volumens könnten private Haushalte auch steuersparend energetische Gebäudesanierungen durchführen.

Die Bundesregierung führt die Rente mit 63 für langjährig Versicherte ein. Was bedeutet das für die Handwerksbetriebe?

Wollseifer: Die Frühverrentung ist ein Fehler. In Zeiten des Fachkräftemangels darf man ältere Beschäftigte nicht pauschal in Rente schicken. Im Handwerk sind 400.000 Mitarbeiter über 60 Jahre alt, jeder fünfte von ihnen erfüllt die Voraussetzungen für die Rente mit 63. Auf diese Fachkräfte kann das Handwerk nicht verzichten. Zudem profitieren von dieser milliarden-teuren Klientelpolitik nur die Jahrgänge 1950 bis 1964.

Mit der Alterung der Gesellschaft steigt auch die Beitragslast für die Betriebe. Reicht die Rente mit 67 aus?

Wollseifer: Die geltende Regelaltersgrenze von 67 Jahren ist sinnvoll. Doch wir müssen das Thema auf der Agenda lassen, die Gesellschaft wird älter und fitter. In zehn Jahren werden wir vermutlich erneut über das Rentenalter diskutieren. Auf Dauer werden wir länger arbeiten müssen. Nur so können wir sicherstellen, dass unsere Enkel unsere Rente auch bezahlen können. Schweden ist hier schon einen Schritt weiter.

Hier können die Menschen zwischen 63 und 70 in Rente gehen …

Wollseifer: Der Charme des schwedischen Modells liegt darin, dass die Menschen so lange arbeiten können, wie sie psychisch und physisch dazu in der Lage sind. Auch in Deutschland müssen wir zu flexibleren Übergängen kommen. Dazu gehört eine Teilrente, zu der man mehr als bisher dazuverdienen kann.

Auch die Lufthansa-Piloten kämpfen für bessere Vorruhestandsregeln. Haben Sie Verständnis, dass sie dies mit solch massiven Streiks durchsetzen wollen?

Wollseifer: Ob die Forderung der Piloten angemessen ist, muss die Lufthansa beurteilen. Klar ist, dass der gesamten Wirtschaft, vom Handwerk bis zur Industrie, durch den Streik ein Schaden in Höhe von mehreren Millionen Euro entsteht. Hier machen die Piloten Arbeitskampf auf dem Rücken der Betriebe.

Die Bundesregierung hat auch den Mindestlohn auf den Weg gebracht. Was bedeutet die Reform für das Handwerk?

Wollseifer: Es wird für das Handwerk schwerer, junge Menschen für eine Ausbildung zu gewinnen. Als ungelernter Helfer kann man mit Mindestlohn deutlich mehr verdienen als in einer Ausbildung. 8,50 Euro sind bei 170 Stunden im Monat fast 1500 Euro brutto für einen jungen Mann oder eine junge Frau, die gerade die Schule verlassen haben. In der Ausbildung gibt es oft nur die Hälfte.

Werden Handwerker wegen des Mindestlohns ihre Preise erhöhen?

Wollseifer: In einigen Branchen wie dem Nahrungsmittelhandwerk oder bei Dienstleistungsberufen müssen die Kunden mit Preiserhöhungen rechnen. So dürften Haarschnitte, Kosmetik-Behandlungen, Back- und Fleischwaren etwas teurer werden. Das Hauptproblem ist aber ein anderes …

Nämlich?

Wollseifer: Dass künftig die Politik die Lohnfindung übernimmt. Vor der nächsten Bundestagswahl werden sich Politiker darin überbieten, den Mindestlohn zu erhöhen. Sie sollten die Lohnfindung denen überlassen, die etwas davon verstehen — den Tarifpartnern. Im Handwerk zahlen übrigens fast alle Branchen längst deutlich mehr als den Mindestlohn.

Sind Sie enttäuscht von der CDU in der zweiten Großen Koalition?

Wollseifer: Wir sind vom Start der Großen Koalition insgesamt schon enttäuscht. Wir hätten uns eine Politik gewünscht, die die Argumente der Wirtschaft ernst nimmt. Große Koalition darf kein großes Wunschkonzert sein. Die Klientelpolitik in einigen Bereichen führt dazu, dass wir bis 2030 rund 200 Milliarden Euro an zusätzlichen Ausgaben haben. Bezahlen müssen das wir alle.

Halten Sie die Einigung beim Erneuerbare-Energien-Gesetz auch für ein großes Wunschkonzert?

Wollseifer: Die Reform bringt hoffentlich eine Preisbremse. Es dürfen letztlich nur die Betriebe von der EE-Umlage befreit sein, die tatsächlich im internationalen Wettbewerb stehen. Es kann zudem nicht sein, dass ein Großbäcker mit 800 Mitarbeitern die Umlage bezahlt und eine Discounterkette nicht. Das ist unfairer Wettbewerb. Energie muss für unsere Betriebe bezahlbar bleiben.

Ärgert es Sie nicht, dass in Schleswig-Holstein der Windstrom weiter gefördert wird, wenn überall von Begrenzung der Förderung gesprochen wird?

Wollseifer: Ja durchaus. Manches ist aber dem demokratischen Prozess und unserem föderalen System geschuldet. Andere Bausteine der Reform sind sinnvoll, wir können ja die Ökostromförderung nicht von heute auf morgen einstellen.

Weil die Handwerksbetriebe diejenigen sind, die Solarmodule auf Dächer schrauben und so von der Energiewende profitieren?

Wollseifer: Das Handwerk setzt die Energiewende um, in der Tat. Wir könnten noch mehr tun, und zwar bei der Energieeffizienz. 40 Prozent unseres Wärmebedarfs geht in die Gebäude. Investoren brauchen angesichts der Höhe der Investitionen steuerliche Anreize — dann ertüchtigen sie die Gebäude auch mit neuen Heizungsanlagen, neuen Fenstern oder besserer Wärmedämmung. Jeder Euro Förderung löst laut KfW acht Euro an Investitionen aus.

Wie viel Geld hätten die denn gern?

Wollseifer: Der im vergangenen Dezember gescheiterte Gesetzentwurf lag auf der richtigen Linie. Eine steuerliche Förderung kommt ja den Haus- und Wohnungseigentümern zu, damit sie mehr investieren. Und das Klima bekommt die Höchstrendite. Die Förderung würde zunächst Steuermindereinnahmen auslösen, in den folgenden Jahren aber hätten die Staatshaushalte ein Vielfaches davon an Mehreinnahmen.

Die EU hat wieder am Meisterbrief im deutschen Handwerk gerüttelt. Gibt es den in zehn Jahren noch?

Wollseifer: Seit vor zehn Jahren 53 Meisterberufe dereguliert wurden, sind die Folgen desaströs. In diesen Berufen findet kaum noch Ausbildung statt. Da keine Qualifikation mehr gefordert ist, fehlt dem Nachwuchs für die Ausbildung die Motivation. Entsprechend hat sich die Qualität entwickelt. Dabei brauchen wir mehr Qualifikation, nicht weniger. Das ist unsere Forderung an Europa. Bildung muss Sache der Nationalstaaten bleiben. Der Meisterbrief muss für den Berufszugang Voraussetzung sein. Er garantiert über die duale Ausbildung Qualität und Qualifikation. Das weiß auch die Bundeskanzlerin, sie hat sich klar dafür ausgesprochen.

Sie sprachen Qualitätsprobleme an. In welchen Gewerken erreichen Sie die meisten Beschwerden?

Wollseifer: Gerade bei den Fliesenlegern wird ein Qualitätsverlust durch viele Selbständige ohne Ausbildung beklagt. Dazu gehören auch EU-Bürger, Polen machen den größten Teil aus. Insbesondere in Großstädten wie Düsseldorf, München und Frankfurt sind seit 2004 einige zehntausend Einzelhandwerker hinzugekommen. Viele von Ihnen werden vom Zoll später als Scheinselbständige ertappt, die unseren hohen Mindestlohn am Bau unterlaufen.

41 Meisterberufe gibt es noch. Werden diese überleben, die EU hat eine Überprüfung angekündigt …

Wollseifer: Die Kommission argumentiert widersprüchlich. Einerseits möchten viele EU-Länder unser duales Ausbildungssystem kopieren, andererseits verstehen sie den Zusammenhang von Meisterbrief und wirtschaftlichem Erfolg offenbar nicht. Hier muss die Bundesregierung, müssen unsere EU-Parlamentarier klare Kante zeigen. Das Handwerk beschäftigt 5,3 Millionen Arbeitnehmer, und für die brauchen wir einen stabilen Rechtsrahmen.

(RP)
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