Analyse Der Straferlass für Portugal und Spanien ist richtig

Brüssel · Die Europäische Union lässt die Defizitsünder wie erwartet ungeschoren davonkommen. Wären die Verstöße gegen das Defizit-Kriterium aus dem Maastricht-Vertrag sanktioniert worden, hätte das Europa-Feinden in die Hände gespielt. Das entbindet aber nicht von Spardisziplin.

Nun ist es amtlich: Die Defizitsünder Spanien und Portugal kommen ungeschoren davon. Wegen ihrer notorischen Verstöße gegen die Stabilitätskriterien in der Euro-Zone müssen die Länder von der iberischen Halbinsel nicht mit Strafen rechnen. Weder mit einer Buße in Milliardenhöhe, an der Spanien knapp vorbeischrammt, noch mit symbolischen Strafen, wie sie auch zur Diskussion standen.

Es ist vergleichsweise leicht, Kommission und Mitgliedsstaaten zu kritisieren und ihnen vorzuwerfen, damit der Glaubwürdigkeit des Stabilitätspaktes zu schaden. Die harte Linie zu fordern, entspricht den Reflexen des politischen Geschäfts, sie umzusetzen ist von anderem Kaliber. Bezeichnend ist das Gerücht, selbst Wolfgang Schäuble, also die Verkörperung der so genannten Austeritätspolitik, hätte in Brüssel die Strippen gegen Strafen gezogen.

Gut möglich, dass es stimmt. Schäuble weiß nämlich: Ein Exempel zu statuieren an Portugal und Spanien, wäre unpolitisch und instinktlos. Spanien hat immer noch keine funktionierende Regierung, womöglich stehen dort schon wieder Neuwahlen an. Europaweit sind linke und rechte Populisten im Aufwind, Sparauflagen werden entschieden abgelehnt, vernünftige stabilitätsorientierte Haushaltsführung mit dem Abbau von Schulden wird als neoliberal verteufelt. Da wäre es unklug, nun Europa-Feinden in die Hände zu spielen, indem einer Debatte über Zwangsmaßnahmen aus dem ungeliebten Brüssel Vorschub geleistet wird. Marine Le Pen vom rechtsextremen Front National in Frankreich, wo nächstes Jahr gewählt wird, hätte sich über diese Vorlage für den Wahlkampf gewiss gefreut.

Statt Maßnahmen mit Symbolwirkung zu verhängen, muss es nun darum gehen, dem übergeordneten Ziel näher zu kommen, die Defizite in der Euro-Zone weiter zu reduzieren. Bei aller Kritik an der Konsequenz der Stabilitätshüter darf man nicht vergessen, dass es durchaus Erfolge gibt: Vor sieben Jahren lag das Haushaltsdefizit in der Euro-Zone im Schnitt noch bei 6,3 Prozent, derzeit liegt dieser Wert bei 2,1 Prozent.

Aber gerade in den Ländern Südeuropas ist noch viel zu tun. Kommission und Mitgliedsstaaten müssen versuchen, die Haushaltsdisziplin im Club Med zu erhöhen. Dafür gibt es Möglichkeiten: Brüssel sollte nun umso strenger hinschauen, ob Spanien und Portugal die Bewährung verdienen, und überzeugende Schritte unternehmen, um aus den roten Zahlen herauszukommen.

Klar ist aber auch: Alle Euro-Staaten, ob klein oder groß, müssen mit der gleichen Elle gemessen werden. Das Gerede von Jean-Claude Juncker, bei Paris sei man großzügiger, "weil es eben Frankreich ist", war töricht und darf sich nicht wiederholen.

(RP)
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