Berlin Deutsche Exportstärke in der Kritik

Berlin · Frankreich, die USA und der Internationale Währungsfonds fordern Deutschland auf, seinen hohen Handelsüberschuss zu reduzieren. Bundesfinanzminister Schäuble will die Kritik bei der IWF-Frühjahrstagung in Washington kontern.

Bundesregierung und Wirtschaftsverbände haben die erneut wachsende internationale Kritik an den hohen deutschen Exportüberschüssen entschieden zurückgewiesen. Der französische Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron bezeichnete die deutsche Exportstärke als "nicht mehr tragbar". Auch die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, erklärte, der deutsche Handelsüberschuss gegenüber anderen Ländern sei mit acht Prozent "nicht gerechtfertigt" und solle halbiert werden. Vor allem US-Präsident Donald Trump ist die deutsche Exportstärke ein Dorn im Auge. Die Bundesregierung und die Verbände DIHK und BDI halten dem entgegen, dass die deutsche Wirtschaft besonders wettbewerbsfähig sei.

Die Kritiker werfen Deutschland vor, einen erheblichen Teil seines Wohlstands auf Kosten anderer Länder zu erzielen. Tatsächlich hängt die deutsche Wirtschaftsleistung zu etwa 40 Prozent am Export. Allerdings sind viele deutsche Unternehmen global aufgestellt. Sie schaffen nicht nur Jobs und Einkommen im Inland, sondern auch im Ausland. So unterhält etwa die deutsche Autoindustrie wichtige Produktionsstätten in den USA, Südamerika oder China. Von den USA aus exportieren deutsche Hersteller mehr als US-Produzenten.

Dennoch dürfte das Ungleichgewicht in der deutschen Handelsbilanz auch Thema auf der IWF-Frühjahrstagung in Washington sein, die in dieser Woche beginnt und die die erste nach dem Regierungswechsel in den USA sein wird. "Die Frage nach dem Überschuss bekommen wir von den USA gestellt", hieß es gestern in Berliner Regierungskreisen. Bundesfinanz- und Wirtschaftsministerium hätten deshalb im Vorfeld der Tagung eine gemeinsame Liste an Argumenten verfasst, mit denen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Kritik am deutschen Handelsüberschuss in Washington abwehren will.

So sei der Überschuss 2016 bereits gesunken. 2017 und 2018 werde ein weiterer Rückgang erwartet. Vor allem gegenüber Euro-Ländern nehme das Ungleichgewicht ab. Die Exportstärke beruhe besonders auf Markteffekten, staatliche Unterstützung für die Unternehmen gebe es nicht. Deutschland sei zudem schon dabei, seine Inlandsnachfrage zu stärken und mehr zu importieren. Die deutsche Investitionsquote liege deutlich über dem europäischen Durchschnitt.

Erleichtert zeigte sich Berlin darüber, dass Deutschland im jüngsten Bericht des US-Finanzministeriums nicht vorgeworfen wird, den Euro-Kurs nach unten zu manipulieren, um Exporterfolge zu erzielen. Dies hatte Trump der Bundesregierung im US-Wahlkampf unterstellt. Im US-Finanzministerium weiß man dagegen, dass der Euro-Kurs von der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) abhängig ist - und nicht von der Bundesregierung gesteuert werden kann.

Die Chancen für eine währungspolitische Entlastung in naher Zukunft stehen allerdings schlecht: In den USA dürften die Zinsen schneller steigen als in Europa. Der zunehmende Zinsunterschied sowie anhaltende wirtschaftliche Probleme in Frankreich und Italien sprechen für eine weitere Euro-Abwertung.

Ungeachtet dieser Diskussion hat der IWF seine Konjunkturprognose leicht angehoben. Für die Weltwirtschaft insgesamt erwartet er jetzt ein Wachstum von 3,5 Prozent im laufenden Jahr - bisher hatte er ein Plus von 3,4 Prozent erwartet. 2018 werden unverändert 3,8 Prozent vorhergesagt. Auch für Deutschland verbesserte er seine Prognose leicht um 0,1 Punkte auf 1,6 Prozent im laufenden Jahr. Für 2018 bleibt sie unverändert bei 1,5 Prozent.

(mar)
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