Ein Besuch in der Fabrik Deutsche Mode im Akkord aus Vietnams Textilfabriken

Hanoi · Seidensticker, Walbusch, Marc O'Polo, Armani: In Fabriken wie der Duc Giang Corporation in Hanoi nähen dieselben Menschen an denselben Maschinen Mode für die unterschiedlichsten Marken. Eine Reportage.

Besuch in einem Sweatshop in Vietnam
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Hunderte Nähmaschinen rattern im Akkord. Das und das Rauschen Dutzender Ventilatoren — in Ermangelung einer Klimaanlage — machen jede Konversation unmöglich. Doch wer durch die Textilfabrik der Duc Giang Corporation (Dugarco) in Vietnams Hauptstadt Hanoi läuft, hat ohnehin nicht den Eindruck, dass Gespräche unter den Angestellten gewünscht sind. Das Thermometer zeigt 30 Grad, ungefähr so viel wie draußen unter der dichten Smogglocke der Millionenstadt. Kaum auszumalen, wie heiß es hier im Sommer wird.

Der Begriff Sweatshop kommt einem in den Sinn, und damit die Assoziation einstürzender Textilfabriken mit mehr als 1000 Toten. Von Verhältnissen wie in Bangladesch ist Dugarco jedoch weit entfernt. Der Betrieb ist staatlich, und seit das Boomland Vietnam mit seiner Arbeitslosenquote von 1,99 Prozent sich stärker auf den Export konzentriert, wird auch mehr darauf geachtet, dass Gesetze eingehalten und Mindestlöhne gezahlt werden. Die vielen hundert Mitarbeiter sind sichtlich volljährig, es gibt Feuerlöscher und gut gekennzeichnete Fluchtwege, alles wirkt sauber und gepflegt, unverkennbar ist dies eine Textilfabrik gehobenen Standards.

Interessanter ist das, was in hohem Tempo durch die Nähmaschinen gejagt wird — durch dieselben Nähmaschinen wohlgemerkt, und durch dieselben Hände. Oberhemden von Seidensticker etwa, auf denen das Logo der deutschen Polizei aufgenäht ist. Hemden für Walbusch, Marc O'Polo und Armani Jeans, Jacken für Strellson, auch Zara Men lässt hier Herrenoberbekleidung produzieren.

Herrenoberbekleidung verschiedenster Marken und Preislagen. Preislagen, die plötzlich willkürlich erscheinen, wenn man durch eine Fabrik wie diese läuft. Denn mit Stoffkosten sind sie nicht zu rechtfertigen — die machen beim Gladbacher Hemdenhersteller van Laack etwa nur 13 Prozent vom späteren Ladenpreis aus. Und mit Arbeitskosten sicher auch nicht, wie das Beispiel Dugarco zeigt. Der Kunde zahlt vor allem für den Markennamen.

"The European Brand" prangt auf den zahlreich vertretenen Bugatti-Bügeln, ein vielsagendes "Designed in Switzerland" steht auf den Strellson-Jacken. Das Label "Made in Vietnam" fehlt hingegen; dass Marc O'Polo im bayerischen Stephanskirchen sitzt, hat man hingegen schon wortreich hineingedruckt. Dabei wird es, in Zeiten hochkomplexer Produktionsketten, die von den Modeunternehmen gerne noch zusätzlich verschleiert werden, erfahrungsgemäß bleiben.

Viele Aufpasser wachen über die Arbeiter

Die Männer und Frauen an den Nähmaschinen und Scheren blicken nicht auf, wenn man an ihnen vorübergeht. Viele Aufpasser wachen über sie. Über ihren Köpfen prangen Digitaltafeln, die die Produktivität der einzelnen Teams anzeigen. Die Gruppe im ersten Stock hinten links, bei den Strellson-Jacken, liegt mit 912 vorne. Die Tagesproduktion? Möglich, gleich, um 17.30 Uhr, ist Feierabend, und 1000 Stück am Quasi-Fließband, warum nicht? Es gibt keine Möglichkeit mehr zu fragen; der Betriebsleiter, der ohnehin kein Englisch spricht, ist fort, ganz geheuer ist ihm dieser über Umwege zustande gekommene Journalistenbesuch wohl nicht.

Ein Zupfen am Ärmel: Bitte gehen jetzt. Was zurückbleibt? Das Gefühl, dass auf dem Hemd, an dem soeben gezupft wird, mit Ausnahme einiger ausschließlich selbstproduzierender Unternehmen eigentlich fast jeder x-beliebige Markenname stehen könnte. Ein Insider aus der Modebranche sagt, dass Fabriken mit ähnlich vielen Auftraggebern wie Dugarco "gang und gäbe" sind.

(tler)
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