Düsseldorf Deutsche Versicherer sind krisenfest - im Moment

Düsseldorf · Bis gestern um Mitternacht mussten die Unternehmen Kennziffern zum Thema Kapitalkraft veröffentlichen.

Was Basel II und III den Banken, das ist Solvency II den Versicherern. Hinter dem Begriff verbirgt sich die einfache Idee, dass die Unternehmen so viel Kapital haben, dass sie nicht nur die Verpflichtungen gegenüber den Kunden erfüllen können, sondern im Krisenfall auch nicht die Hilfe des Staates in Anspruch nehmen müssen, um zu überleben. Wie kapitalstark und krisenresistent die Versicherungsunternehmen sind, soll sich dabei in einer Kennziffer ausdrücken, dem Solvenzquotienten. Den mussten die Anbieter für jedes einzelne Unternehmen bis gestern um Mitternacht auf ihrer Homepage zeigen -350 deutsche und Tausende in Europa, für jede Konzerngesellschaft eine eigene. Ein Mammutprojekt, bei dem die Versicherer die Öffentlichkeit mit Daten überschüttet haben. Gedacht für Verbraucher, die Versicherungen kaufen wollen, Aktionäre, die Aktien der Unternehmen halten, Makler, die Policen verkaufen, Aufsichtsbehörden, die die Anbieter prüfen müssen,

Nach dem, was bis gestern Abend schon vorlag, sind Deutschlands Versicherer in der Momentaufnahme weitgehend widerstandsfähig. Marktführer Allianz beispielsweise erfüllte die verschärften Kapitalanforderungen im deutschen Lebensversicherungsgeschäft deutlich - und zwar ohne Inanspruchnahme von Übergangsregeln, die den Versicherern beispielsweise mehr Zeit geben, die Anforderungen zu erfüllen. Selbst ohne solche Übergangsregeln erreichte die Allianz Leben Ende 2016 eine Quote von 379 Prozent. Die Generali lag sogar bei mehr als 500 Prozent.

Was sagen diese Zahlen aus? Vereinfacht ausgedrückt, errechnet sich der Solvenzquotient folgendermaßen: Man nimmt das Vermögen des Versicherers und zieht davon die Zahlungsverpflichtungen (beispielsweise Auszahlungen von Lebens- oder Rentenversicherungen) ab. Übrig bleibt das Eigenkapital des Unternehmens. Ist das höher als das von der Aufsicht geforderte Solvenzkapital, ist der Solvenzquotient größer als 100 Prozent. Liegt der Quotient unter 100 Prozent, kann das Unternehmen zwar die Kundenforderungen begleichen, ist aber nicht für extreme Krisenszenarien gerüstet. Und genau darum geht es - um Szenarien, die zwar nur alle 200 Jahre vorkommen, aber eben auch nicht ausgeschlossen sind, wie extreme Naturkatastrophen oder Finanzkrisen im Ausmaß jener von 2007/2008. Ein Sprecher des Branchenverbandes GDV sagte, er gehe nicht davon aus, dass eines der rund 460 Mitgliedsunternehmen eine Quote von unter 100 habe.

Dennoch gibt es Kritik am Modell. Erstens, weil es den Unternehmen die Möglichkeit lässt, unterschiedliche Berechnungsmethoden für das Solvenzkapital zu wählen (was die Vergleichbarkeit erschwert), zweitens wegen der Übergangsregeln, drittens, weil die Marktwerte der Kapitalanlagen stark schwanken können. Aber: Wer die Vorgaben nicht erfüllt, kann beispielsweise dazu gezwungen werden, Gewinne einzubehalten und/oder stärkere Kapitalreserven zu bilden.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort