Arbeitswelt Mehr als jeder Vierte arbeitet sonntags

Berlin · Sonn- und Feiertagsarbeit nimmt in Servicebranchen wie dem Handel zu - ungeachtet eines Urteils der obersten Richter.

Deutschland: Mehr als jeder Vierte arbeitet sonntags
Foto: dpa, mac pzi ade lof

Knapp 26 Prozent der Angestellten in Deutschland und damit mehr als jeder Vierte hat 2013 auch an Sonn- und Feiertagen gearbeitet. Überdurchschnittlich hoch war der Anteil der Sonntagsarbeit bei den öffentlichen und privaten Dienstleistern: Hier kamen 2013 knapp 39 Prozent oder fast zwei Fünftel aller Beschäftigten gelegentlich, regelmäßig oder ständig auch an Sonn- und Feiertagen zur Arbeit. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion hervor, die unserer Zeitung vorliegt. Insgesamt arbeiten etwa 28 Prozent der Erwerbstätigen auch sonn- und feiertags.

Die Zahl der abhängig Beschäftigten, die auch sonntags kommen, ist den Daten zufolge im zurückliegenden Jahrzehnt leicht angestiegen: 2003 waren erst knapp 23 Prozent der Angestellten auch sonn- und feiertags im Einsatz, so das Bundesarbeitsministerium. Zugenommen hat die Sonntagsarbeit demnach 2013 im Vergleich zum Jahr 2003 vor allem in Land- und Forstwirtschaft, im verarbeitenden Gewerbe, am Bau, in Handel und Gastronomie und bei den übrigen Dienstleistern.

Die Bundesregierung betont, dass Sonntagsarbeit in den vergangenen Jahren nicht mehr zugenommen habe. Tatsächlich hatte sie 2008 mit einem Anteil an allen Angestellten von knapp über 26 Prozent sogar noch etwas höher gelegen als 2013. Allerdings soll sie auch künftig nicht weiter steigen. Denn Freizeit am Wochenende sei besonders wichtig, um Stress abzubauen und soziale Kontakte zu pflegen, schreibt das Ministerium. Eine Erwerbstätigenbefragung des Bundesinstituts für Berufsbildung habe 2012 ergeben, "dass für am Wochenende arbeitende Erwerbstätige im Vergleich zu Beschäftigten, die nicht am Sonntag oder an einem Feiertag arbeiten, ein höheres Belastungspotenzial in Bezug auf Aspekte psychischer Belastungen und ein erhöhtes Risiko gesundheitlicher Beeinträchtigungen bestehen", so das Ministerium.

Es begrüßte ein vielbeachtetes Urteil des Leipziger Bundesverwaltungsgerichts vom November, das der Ausweitung der Sonntagsarbeit Grenzen setzt. Die obersten Richter verboten es dem Land Hessen, weiterhin Sonntagsarbeit auch in Videotheken, Bibliotheken, Callcentern und Lotto-Annahmestellen zuzulassen. Begründung: Die Beschäftigung dort sei an Sonntagen nicht erforderlich, um besondere Bedürfnisse der Bevölkerung zu decken.

Nach dem Arbeitszeitgesetz dürfen Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen nur ausnahmsweise beschäftigt werden, um "erhebliche Schäden zu vermeiden". Das gilt etwa für Polizei, Feuerwehr, Krankenpflege und Notdienste. Darüber hinaus können die Länder per Verordnung aber weitere Ausnahmen zulassen für Betriebe, in denen Sonntagsarbeit "zur Befriedigung täglicher und an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung erforderlich ist".

An das Leipziger Urteil müssen sich auch die anderen Länder halten. Doch geschehen ist bisher nichts. Auch in Nordrhein-Westfalen wird in Callcentern derzeit sonntags noch gearbeitet. Ein Sprecher des NRW-Arbeitsministeriums erklärte, man wolle die schriftliche Begründung des Verwaltungsgerichts abwarten, die voraussichtlich noch im Laufe des Monats vorliege. Nach der Prüfung wolle man dann mit den anderen Ländern ein gemeinsames Vorgehen verabreden.

Den Grünen gehen diese Ankündigungen nicht weit genug. "Es ist Zeit, dass die Bundesregierung von ihrer Regelungskompetenz im Arbeitszeitgesetz Gebrauch macht", sagte Grünen-Politikerin Beate Müller-Gemmeke. "Sie muss die gesetzlichen Ausnahmen, die Sonn- und Feiertagsarbeit ermöglichen, kritisch überprüfen und konkreter fassen. Nur bequem auf die Bundesländer zu verweisen, ist zu wenig."

(mar)
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