Bewegende Abschiedsrede von DGB-Chef Sommer "Ich schaukle für mein Leben gern"

Berlin · Michael Sommer kennt genau die Klaviatur, auf der er spielen muss, um beim Publikum anzukommen: eine Mischung aus Selbstkritik und echten Emotionen, dazu eine ordentliche Prise Humor, viel Symbolik und ein paar intime Details. Genau mit diesem Rezept verabschiedete sich der Bundesvorsitzende am Montag nach zwölf Jahren im Amt von Deutschlands größtem Gewerkschaftsdachverband. Nur ein einziger DGB-Chef war länger im Dienst.

 Michael Sommer nahm in Berlin Abschied von seinem Amt.

Michael Sommer nahm in Berlin Abschied von seinem Amt.

Foto: dpa, rje pzi

Gerade hatte ihm sein Nachfolger Reiner Hoffmann (58) das Modell einer Schaukel geschenkt, die sich Sommer zum Abschied gewünscht hatte ("Das Original wäre für die Bühne zu groß gewesen", so Hoffmann). Da lieferte der 62-Jährige bereits den ersten privaten Einblick: "Ich schaukle für mein Leben gerne", sagte der als humorvoll bekannte Gewerkschaftsfunktionär verschmitzt, ehe er zu einem 15-minütigen Rückblick auf sein Schaffen ansetzte, bei dem er unter anderem eingestand: "Ich habe viel Mist gebaut."

Auch eine Krawatte spielte eine zentrale Rolle: Als sich Sommer bei dem Generaldirektor der Internationalen Arbeitsorganisation, Guy Ryder, für dessen zuvor gehaltenes Grußwort bedankte, wies der scheidenden DGB-Chef auf die Krawatte seines langjährigen Wegbegleiters hin. Als Guy am 28. Mai 2012 ins Amt gewählt wurde, da habe er ihm die Krawatte geschenkt, die er selbst auf den Tag zehn Jahre zuvor bei seiner Wahl an die DGB-Spitze getragen habe, sagte Sommer. "Dass du diese Krawatte heute trägst...", fügte er ergriffen hinzu, während Ryder unter lautem Applaus das gute Stück in die Kameras reckte.

Nur kurz äußerte sich Sommer zu seinen politischen Überzeugungen, bezeichnete den Neoliberalismus als "die Ideologie, die falsche Antworten mit falschen Behauptungen begründet". Ansonsten ließ er es vor allem menscheln: "Ich habe in meinen zwölf Jahren hier viel Ärger gehabt, aber noch wesentlich mehr Solidarität erfahren — politisch und persönlich." In Anspielung auf seine lebensbedrohliche Magenerkrankung sagte er: "Ich danke euch aus tiefstem Herzen auch in Situationen, in denen es mir mal nicht gut ging, in denen man wusste, man braucht auch Menschen, die nicht am eigenen Stuhl sägen. Sondern jene die sagen: Der hat jetzt eine schwierige gesundheitliche Phase, und die überbrücken wir gemeinsam. Der ist in drei Monaten wieder da." Das unterscheide die Gewerkschaft von politischen Parteien.

Dass Sommer durchaus auch autoritär sein konnte, blitzte kurz auf, als er den Mitarbeitern des "siebten Stocks" dankte, also jener Etage im DGB-Haus, die für die Vorstandsaufgaben zuständig ist. Nach Aussagen Sommers sei der Stock verhasst gewesen und man sei dort nur hingegangen, "wenn man unbedingt musste". Er werde nicht nur seine engen Mitarbeiter vermissen, sondern auch das "betreute reisen und arbeiten". "Ich muss jetzt erst mal wieder resozialisiert werden", scherzte der frühere DGB-Chef.

Die DGB-Chefs seit 1949
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Zum Schluss ließ es Sommer noch einmal richtig emotional werden: "Ich hatte das Glück, mich in meinem Leben vor allem auf zwei strake Frauen stützen zu können, ohne die ich diesen Weg niemals hätte gehen können. Die eine war meine Mutter, die leider viel zu früh gestorben ist, eine kluge, eine warmherzige Frau." Sie habe zu jener Generation von Frauen gehört, die im wahrsten Sinne des Wortes Kriegsopfer waren und "die mir beigebracht hat, dass man im Lebne vor allem zwei Dinge braucht: Menschlichkeit und Verlässlichkeit." Mit der zweiten starken Frau, sei er seit 26 Jahren verheiratet fügte Sommer an: "Meine Prinzessin — wie ich sie nenne — und ich wissen, was wir an einander haben, und ich weiß wofür ich ihr dankbar sein muss."

Mit lang anhaltendem Applaus, bei dem sich auch der letzte Zuhörer im Berliner Citycube von seinem Stuhl erhob, wurden Sommers letzte Worte bedacht, mit denen eine zwölfjährige Ära ihr Ende findet.

(maxi)
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