Düsseldorf Die große Macht der Rating-Agenturen

Düsseldorf · Die Bonitätswächter bewerten die Kreditwürdigkeit von Staaten, Industrieunternehmen und Banken. Viele vertrauen den Agenturen mehr als Analysten. Doch es gibt auch Kritik.

Welche Auswirkungen ein korrigiertes Urteil von Ratingagenturen haben kann, das bekam jüngst Brasilien zu spüren. Die US-Gesellschaft Standard & Poor's (S & P) senkte die Bonitätsnote des südamerikanischen Landes um eine Stufe auf BB+ und damit auf Ramschniveau. Mit der Herabstufung verliert Brasilien als Schuldner den so genannten Investmentgrade, der für eine zumindest halbwegs sichere Geldanlage steht. Die Einschätzung als "Junk Bonds" führt dazu, dass die Finanzierung des Staatshaushalts künftig noch erheblich schwieriger als ohnehin schon wird. Zum Vergleich: Während brasilianische Schuldverschreibungen mit zehnjähriger Laufzeit schon vor der Rückstufung 5,5 Prozent Zinsen brachten, gibt es bei Bundesanleihen gerade einmal rund 0,7 Prozent. S & P hat die Maßnahme mit der Schuldenpolitik von Brasiliens Staatspräsidentin Dilma Roussef begründet. Dies zog nach sich, dass die Regierung erstmals in der Geschichte des wirtschaftlichen Schwellenlandes einen Haushaltsplan vorlegte, der rote Zahlen enthält.

Ratingagenturen bewerten nicht nur die Bonität von Staaten. Auch die Kreditwürdigkeit von Industrieunternehmen und Banken wird durchleuchtet. Die weltweit einflussreichsten der Branche sind neben S & P noch Moody's und Fitch. Das Triumvirat kontrolliert etwa 95 Prozent des Markts rund um den Globus.

Die mächtigen Akteure der Finanzbranche verwenden für ihre Einstufungen Buchstabencodes. Bei S & P und Fitch beginnt die Skala mit der Bestnote AAA. Dem "Triple A" folgen AA, A, BBB, BB, B, CCC, CC und C. Mit Plus- und Minuszeichen können die Noten noch feiner unterteilt werden. Ein D bedeutet, dass ein Ausfall des Schuldners eingetreten ist. Leicht modifiziert verfährt die Ratingagentur Moody's, die bei der Einschätzung große und kleine Buchstaben sowie Zahlen kombiniert. So signalisiert die Note Aaa die höchste und damit eine erstklassige Bewertung. Es folgen Aa1, Aa2 und Aa3, die eine starke Zahlungsfähigkeit signalisieren. Die Reihe A1 bis A3 bedeutet eine gute Bonität. Danach wird der erste Buchstabe durch B ersetzt. Der risikoreiche Bereich beginnt bei Ba1. E stellt schließlich die niedrigste Kategorie dar.

Erste Rating-Versuche gab es bereits 1868. Damals veröffentlichte Henry Varnum Poor seine Einschätzungen zu US-Eisenbahngesellschaften. 1909 folgte ein systematisches Rating gegenüber der Branche durch John Moody, Gründer der gleichnamigen Agentur. Hierzulande entstand zwar 1988 eine Initiative, die eine europäische Ratingagentur anstrebte. Sie blieb jedoch ohne Erfolg, da sich das amerikanische System durchsetzte. Im August 2009 nahm als erstes Institut auf diesem Gebiet die Creditreform Rating lediglich die Tätigkeit für bankaufsichtliche Risikogewichtung vor.

Je schlechter die Bonität eines Schuldners ausfällt, desto teurer und schwieriger wird es, sich am Kapitalmarkt frisches Geld zu besorgen. Somit steigen die Kosten für eine Refinanzierung. Im schlimmsten Fall ziehen die Gläubiger ihr Kapital ganz ab. Dem Urteil von Ratingagenturen wird häufig mehr vertraut als dem von Analysten, die eine andere Meinung haben. Das trägt zur Macht der Agenturen bei.

Unumstritten sind die Einstufungen der Bonitätswächter indes nicht. Kritiker bemängeln beispielsweise, dass oft unklar bleibt, welcher Anteil der Einschätzungen auf Berechnungen und Fakten beruht. Vor allem seit der Finanzkrise haben die Agenturen an Ansehen verloren. Denn damals wurde eine Reihe von Ramschpapieren als sichere Geldanlage betrachtet. Für Fehleinschätzungen können US-Ratingagenturen allerdings nicht zu Schadenersatz heran gezogenwerden.

(RP)
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