"Die IG Metall gefährdet den Standort"

Arndt Kirchhoff mangelt es wahrlich nicht an Aufgaben: Er ist unter anderem Präsident des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln, Mitglied der Präsidien der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). Und natürlich Präsident des Arbeitgeberverbandes Metall NRW. Wir sprachen mit ihm über die anstehenden Tarifverhandlungen in der Metallbranche.

Herr Kirchhoff, schauen Sie sich schon wegen der Lohnforderung der IG Metall nach günstigen Produktionsstandorten im Ausland um?

Kirchhoff Natürlich nicht. Wir werden keine Arbeitsplätze verlagern - das ist technisch und finanziell nicht möglich. Maschinen verpflanzen Sie nicht mal eben von A nach B. Trotzdem gilt: Durch zu stark steigende Arbeitskosten gefährdet die IG Metall die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie nicht nur in NRW. Denn die Unternehmer werden sich bei Neuinvestitionen genau überlegen, ob sie die nicht viel günstiger im Ausland vornehmen können.

Die IG Metall verlangt fünf Prozent - die niedrigste Forderung seit zehn Jahren. Und Gesamtmetall spricht von tariflichen Höhenflügen. Es hat den Anschein, als würden die Arbeitgeber - egal wie hoch die Forderung ausfällt - vor einem Zusammenbruch der Wirtschaft warnen.

Kirchhoff So ist es natürlich nicht. Es stimmt zwar, dass die Forderung nur in den Krisenjahren niedriger lag. Dennoch ist das, was der IG Metall vorschwebt, an den Haaren herbeigezogen und gefährdet unseren Wirtschaftsstandort.

Das müssen Sie erklären.

Kirchhoff Früher hat die Gewerkschaft ihre Forderungen wenigstens einigermaßen sauber begründet. Also Inflationsrate plus Produktivitätsentwicklung und eine Umverteilungskomponente. Da ihr die Werte aber derzeit nicht schmecken, werden jetzt einfach andere genommen, zum Beispiel die Zielinflation der Europäischen Zentralbank oder die Trendproduktivität. Das sind Phantasiezahlen, die mit der Realität nichts mehr zu tun haben. Das ist unredlich. Die IG Metall sollte sich von ihrem gefährlichen Wunschdenken verabschieden und zu solider Tarifpolitik zurückkehren.

Durch Digitalisierung und Automatisierung sparen Sie aber in den nächsten Jahren massiv Lohnkosten ein. Dann können Sie sich doch noch einmal großzügig zeigen?

Kirchhoff Mit Lohnzuwächsen von 14 Prozent seit 2012 waren wir zu großzügig. Und durch die Digitalisierung werden zwar einige Jobs wegfallen, gleichzeitig entstehen aber neue, anspruchsvollere Tätigkeiten, die dann auch entsprechend höher entlohnt werden müssen. Einsparungen kann ich da nicht erkennen.

Wie steht es denn um die Lage der Branche insgesamt?

Kirchhoff Sehr unterschiedlich. Natürlich gibt es Unternehmen, bei denen es noch brummt. Bei anderen ist die Lage dafür schon existenzbedrohend - etwa bei Unternehmen, die mit der Stahlindustrie verbandelt sind. Denn wegen der Überkapazitäten wird dort nicht investiert. Gleiches gilt für die Firmen im Energiesektor. Da kommt es zu ersten Entlassungswellen. Die Gießereien arbeiten kurz. Das muss der Abschluss berücksichtigen.

Was wäre denn dann eine realistische Zahl?

Kirchhoff Die genannten Krisenunternehmen müsste man jetzt eigentlich mal in Ruhe lassen. Aber das wird wohl nicht gehen. Wir benötigen deshalb auf jeden Fall einen differenzierenden Abschluss, der auf unterschiedliche Firmenkonjunkturen Rücksicht nimmt. Auf eine solche Regelung müssen wir pochen.

Wie groß ist der Effekt, den die VW-Abgasaffäre auf die Branche hat?

Kirchhoff Im Augenblick noch überschaubar. Ich habe auf dem Genfer Autosalon mit vielen Automobilherstellern gesprochen. Da ist von einem Einbruch - insbesondere auch bei der Dieseltechnologie - nichts zu spüren. Aber insgesamt hat der Abgasskandal für einen empfindlichen Imageschaden gesorgt. Das dicke Ende kann durchaus noch kommen.

Die IG Metall will diesmal Druck auf tarifungebundene Unternehmen machen. Treibt das die Firmen zurück in die Tarifbindung?

Kirchhoff Wenn zugleich die Forderung für die Branche unverträglich hoch ist, ist der Anreiz, in den Tarif zurückzukehren, überschaubar.

Die IG Metall hat sich eine neue Arbeitskampfstrategie verordnet - mit Warnstreiks von bis zu 24 Stunden. Rechnen Sie mit einer hitzigeren Tarifrunde als beim letzten Mal?

Kirchhoff Wir beobachten das mit Sorge. Wenn da Betriebe wirklich ohne Urabstimmung für 24 Stunden lahmgelegt werden, dann ist das völlig überzogen. Ein Streik soll immer letztes Mittel sein. Unsere Lieferketten sind inzwischen so stark verzahnt, dass schon kleine Störungen uns empfindlich treffen.

Wären Sie gewillt, solche Tagesstreiks juristisch überprüfen zu lassen?

Kirchhoff Schon beim letzten Mal gingen die sogenannten Warnstreiks deutlich über das Übliche hinaus. Wenn sich die IG Metall da noch einmal steigert und wir der Auffassung sind, dass das unverhältnismäßig ist, können wir das gerichtlich prüfen lassen.

Geben Sie mal einen Tipp ab: Wie schnell sind Sie diesmal durch?

Kirchhoff Aufgrund der genannten Rahmenbedingungen wird das eine extrem schwierige Runde werden. Ich rechne nicht mit schnellen Ergebnissen.

Im Juni übernehmen Sie das Amt des Unternehmerpräsidenten. Die Liste Ihrer Ämter ist beeindruckend lang. Müssten Sie dann an anderer Stelle kürzertreten?

Kirchhoff Ich habe schon einen Teil abgegeben - zum Beispiel den Vorsitz im BDI/BDA-Mittelstandsausschuss in Berlin. Sollte ich gewählt werden, freue ich mich auf die neue Aufgabe.

Wie sieht Ihre Agenda aus?

Kirchhoff Als Metallarbeitgeberpräsident sage ich, dass die Landesregierung zügig die Rahmenbedingungen dafür schaffen muss, dass NRW nicht länger Schlusslicht bei Wirtschaftswachstum und Wettbewerbsfähigkeit ist. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Wir haben viel zu starke Auflagen bei den Geräuschemissionen. Lkw dürfen nach den heutigen Regelungen vielerorts nachts oder am Wochenende nicht in unsere Gewerbegebiete fahren. Da zeigt Ihnen aber jeder Investor einen Vogel und schaut sich woanders um. Solche Grenzwerte gehören deshalb auf den Prüfstand, damit NRW weiter Industrieland bleibt.

DAS INTERVIEW FÜHRTE MAXIMILIAN PLÜCK

(RP)
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