Düsseldorf Die IG Metall sortiert sich neu

Düsseldorf · Nach nur zwei Jahren ist für Detlef Wetzel Schluss als Erster Vorsitzender der größten deutschen Gewerkschaft. Sein Nachfolger Jörg Hofmann wird sich mit Werkverträgen und der Industrie 4.0 herumschlagen müssen.

Als Detlef Wetzel vor zwei Jahren vorzeitig Berthold Huber an der Spitze der größten deutschen Einzelgewerkschaft ablöste, da war bereits klar, dass der Siegener nur eine "Amtszeit light" absolvieren würde. Zwei, statt der sonst üblichen vier Jahre als Erster Vorsitzender. Das ist wenig Zeit, um das ganz große Rad zu drehen. Doch wenn Wetzel ab dem kommenden Wochenende beim 23. ordentlichen Gewerkschaftstag der IG Metall in Frankfurt - einer einwöchigen, rund sechs Millionen Euro verschlingenden Marathon-Veranstaltung - ein Resümee seiner Amtszeit zieht, kann der 62-Jährige zufrieden mit sich sein.

Die IG Metall ist unter Wetzels Führung endgültig aus dem tiefen Tal der Tränen herausgetreten, in das sie Anfang der 2000er-Jahre gerutscht war. Flügelkämpfe und Mitgliederschwund? Sie scheinen inzwischen der Vergangenheit anzugehören. Schon unter seinem Vorgänger Huber hat Wetzel als Zweiter Vorsitzender und zuständiges Bundesvorstandsmitglied für die Mitgliederentwicklung die IG Metall auf einen klaren Kurs gebracht: Mitgliederwerbung, Mitgliederwerbung und nochmals Mitgliederwerbung, lautete und lautet immer noch sein Credo. Und dies verstärkt in Bereichen, in denen die IG Metall nur schwer Fuß fassen konnte - bei den Angestellten, den Studierenden, den Ingenieuren und nicht zuletzt bei Frauen.

Diese Strategie leuchtete nicht jedem Gewerkschafter sofort ein. Zumal Wetzel auch die Axt an - aus seiner Sicht - veraltete Strukturen legte. Die Neuausrichtung und der dafür nötige Umbau der Riesenorganisation inklusive Verschlankung schmeckte nicht jedem Funktionär. Schließlich ging es auch um lieb gewonnene Besitzstände. Zudem wird Wetzel nachgesagt, zu seinen Mitmenschen auch mal ruppig zu sein.

Doch die Resultate sprechen für ihn: Seit 2010 ist die IG Metall in jedem Jahr gewachsen. Auch 2015 wird das voraussichtlich so sein. Wichtig ist es aber, die einmal gewonnenen Mitglieder auch zu halten - bei einem Mitgliedsbeitrag von einem stolzen Prozent des Bruttoeinkommens keine leichte Aufgabe. Es wird eine der großen Herausforderungen für Wetzels Nachfolger, den Baden-Württemberger Jörg Hofmann. Der wird sich beim Gewerkschaftstag in Frankfurt von den rund 500 Delegierten eine Strategie absegnen lassen, mit der die einfachen Mitglieder künftig in der Organisation mehr zu sagen haben. Wenn das Mitglied auch das Gefühl habe, dass seine Belange ernst genommen würden und in echter Politik mündeten, so die Überlegung, könne man es bei der Stange halten. Zwar lässt die Gewerkschaft schon jetzt alle zwei Jahre per Beschäftigtenbefragung Themen erheben. Aber diese Beteiligung soll noch mehr ausgebaut werden.

Und auch sonst mangelt es der IG Metall wahrlich nicht an Herausforderungen: Da wäre der VW-Skandal, aber vor allem auch die Unruhe, die die "Industrie 4.0" verbreitet- also die Digitalisierung und Vernetzung von Produktionsprozessen. Die Befürchtungen der Beschäftigten sind groß, dass durch die Automatisierung Stellen wegfallen, ältere Beschäftigte nicht genug weitergebildet werden oder Maschinen am Ende den Menschen die Arbeit diktieren.

Daneben wird es bei den einwöchigen Antragsberatungen vor allem um die unliebsamen Werkverträge gehen. Die drohen gerade, der inzwischen mit Hilfe von Branchenzuschlägen eingedämmten Leiharbeit den Rang als verhasstes Flexibilisierungs-Instrument Nummer eins den Rang abzulaufen. Was die Delegierten beraten, ist nicht weniger als der Arbeitsauftrag für den 59-jährigen Hofmann. Er wird der IG Metall wohl seinen eigenen Stempel aufdrücken, ist er vom Typus her doch ganz anders als sein Vorgänger. Bei Auftritten wirkt der im Tarifgeschäft extrem erfahrene Hofmann mit seinem süddeutschen Akzent und den dicken Brillengläsern bisweilen ein wenig schüchtern. Doch der Eindruck dürfte täuschen. Am kommenden Wochenende macht ein Kampferprobter für den nächsten Platz.

(maxi)
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