Internetfirma aus Düsseldorf Die Kicktipper

Düsseldorf · Vom Fußball-Tippspiel mit Freunden zum erfolgreichen Internet-Start-up: Kicktipp.de nutzen heute Millionen Spieler.

 Programmierer Peter Buning und Gründer und Geschäftsführer Janning Vygen sind die Köpfe hinter Kicktipp. Das beliebte Fußball-Tippspiel wird in einem Büro in der Düsseldorfer Innenstadt programmiert.

Programmierer Peter Buning und Gründer und Geschäftsführer Janning Vygen sind die Köpfe hinter Kicktipp. Das beliebte Fußball-Tippspiel wird in einem Büro in der Düsseldorfer Innenstadt programmiert.

Foto: Hans-Juergen Bauer

Janning Vygen hat schon mit seinen Freunden getippt, als Werder Bremen noch eine große Nummer war und der MSV Duisburg erstklassig spielte. In dieser Zeit hat er alles ausprobiert: strategische Tipps oder wilde, gemäß der Wettquoten oder dagegen. Inzwischen tippt er oft aus dem Bauch. Auch das reicht für den Gesamtsieg. Manchmal. "Wer lange dabei ist, gewinnt auch mal", sagt Vygen und lacht.

Genau wie Millionen andere tippt auch der 44-jährige Düsseldorfer seine Spiele beim Online-Portal Kicktipp. Einziger Unterschied: Vygen hat die Seite erfunden.

Kicktipp ist eine der bekanntesten Internetseiten des Landes, allein bei der Europameisterschaft tippten 3,5 Millionen Menschen in 300.000 Tipprunden die Spiele. Und nach dem deutschen Last-Minute-Tor durch Bastian Schweinsteiger gegen die Ukraine verzeichnete Kicktipp rund 100.000 Seitenaufrufe - pro Sekunde. Wenn nun die Bundesliga wieder beginnt, dürfte auch der Rekord von bislang rund 120.000 Tipprunden während einer Saison eingestellt werden. Kicktipp ist Kult.

Dabei entstand die Seite eigentlich nur als Plattform eines kleinen Grüppchens Schulfreunde. Denn getippt haben Vygen und seine Kumpels schon damals - auf Papier, ganz klassisch. Doch dann zerstreute sich der Duisburger Freundeskreis nach dem Abitur in alle Himmelsrichtungen, auch Vygen verließ das Ruhrgebiet Richtung Heidelberg, um wie sein Vater Jura zu studieren. Die jahrelang praktizierte Zettelwirtschaft wurde unpraktisch. Also setzte sich Vygen 1995 hin und programmierte eine Online-Version. "Das Tippspiel war eine super Möglichkeit, um mit meinen Kumpels in Kontakt zu bleiben", sagt er. Irgendwann kamen Anfragen anderer Nutzer, die ebenfalls genug hatten von Zetteln und Excel-Tabellen. Also änderte Vygen die Seite so, dass mehrere Tippspiele parallel laufen können. Das war der Durchbruch.

"Klar fängt man an zu träumen, wenn plötzlich 1000 Tipper auf der Plattform sind", sagt Vygen. Irgendwann merkte er, dass er mit seiner Idee eine Marktlücke gefunden hatte und Geld verdienen konnte. Aus 1000 Tippern wurden erst 100.000 und dann eine Million.

2006 machte Vygen aus Kicktipp ein Unternehmen. Sechs Jahre gab es die Internetseite da schon unter dieser Adresse. "Meine Eltern haben mich gerade am Anfang sehr unterstützt, ohne wirklich zu verstehen, was ich da eigentlich mache", erinnert er sich schmunzelnd: "Das hat mir sehr geholfen."

Am Prinzip hat sich seit der Gründung kaum etwas geändert: Die Spieler tippen noch immer den Ausgang eines Spiels, für die richtige Tendenz oder das Ergebnis gibt es unterschiedlich hohe Punkte. Gespielt wird noch immer in Gruppen, die Teilnahme ist für Privatpersonen weiterhin kostenlos - und Janning Vygen sitzt noch immer am Computer und programmiert.

Aus dem Rechner in der Studentenbude ist heute allerdings ein schickes Büro unweit der Düsseldorfer Schadow-Arkaden geworden. "Kicktipp GmbH" steht an der Tür. Fußball-Poster sucht man jedoch vergebens, nur ein paar Dauerkarten von Fortuna Düsseldorf auf dem Schreibtisch zeigen, dass hier ein Mann arbeitet, der nicht nur berufliches Interesse am Fußball hat.

Stattdessen dominieren Informatik-Bücher, die sauber aufgereiht im Bücherregal stehen. Vygen programmiert die Seite noch immer selbst. Denn obwohl Kicktipp inzwischen durch Werbung und speziell angepasste Tipp-Spiele für Unternehmen mehr als eine Million Euro Umsatz pro Jahr macht, besteht das Unternehmen noch immer aus ihm und seinem Mitarbeiter Peter Buning. "Eigentlich bräuchten wir noch einen dritten oder vierten Mitarbeiter", sagt Vygen: "Aber einerseits sind wir ein eingespieltes Team, andererseits ist es auch gar nicht so leicht, geeignete Informatiker zu finden."

Denn obwohl sich am Prinzip von Kicktipp nicht viel geändert hat, mangelt es den beiden nicht an Arbeit: Knapp 60 Prozent der Seitenaufrufe erfolgen heute per Smartphone - über die mobile Seitenansicht oder per App. "Heute haben alle Smartphones und wollen ihre persönliche Punktezahl direkt sehen, und das natürlich im Vergleich zu allen Mitspielern", sagt Vygen. Kurzum: Die Schwankungen nehmen zu. Mal gibt es kaum Seitenaufrufe, und sobald ein Tor fällt, explodieren die Zahlen - damit müssen die Kicktipp-Server erstmal klarkommen.

Gleichzeitig erweitert die Zwei-Mann-Firma ihr Angebot: In Italien, Spanien oder Portugal gibt es die Seite inzwischen schon, neben Fußball können Sport-Fans auch Eishockey-, Football-, Baseball- oder Handball-Ergebnisse tippen.

Ein Verkauf des Unternehmens kam für Vygen nie infrage. "Ich wollte immer unabhängig sein und nicht ständig Quartalszahlen übermitteln müssen", sagt er. Und die Lust am eigenen Unternehmen ist längst nicht vergangen: "Es ist einfach immer noch ein tolles Gefühl, wenn ich mit der Straßenbahn zu Fortuna fahre und neben mir jemanden schnell noch die Spiele tippen sehe." Geht es nach Vygen, soll Kicktipp genau so bleiben: ein kleiner Wettkampf zwischen Freunden im Alltag. "Bei uns steht die soziale Gemeinschaft im Vordergrund", sagt Vygen: "Auch wenn man am Ende keine Chance mehr auf den Gesamtsieg hat, will man eben doch vor Kalle stehen."

(frin)
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