Minister Garrelt Duin "Die Landesregierung ist nicht an allem schuld"

Düsseldorf · Der NRW-Wirtschaftsminister spricht im Interview mit unserer Redaktion über das schwache Wachstum und erklärt, warum das Bundesland dennoch viel Potenzial hat.

 NRW-Wirtschaftsminister Duin muss in diesen Tagen einige unangenehme Fragen beantworten.

NRW-Wirtschaftsminister Duin muss in diesen Tagen einige unangenehme Fragen beantworten.

Foto: dpa, fg cul

Mit einem Wirtschaftswachstum von 0,0 Prozent ist NRW bundesweit Schlusslicht. Trotzdem wehrt sich Garrelt Duin (SPD) gegen das Bild, dass alles schlecht sei. Das Gespräch findet im Landtag statt. Durch die Fenster kann man die Containerschiffe aus China auf dem Rhein sehen.

Sind Sie neidisch, dass Berlins Ex-Bürgermeister Klaus Wowereit den Spruch "Arm, aber sexy" erfunden hat? Der wäre doch toll für NRW. Klingt besser als "Strukturwandel".

Duin Das ist leider immer noch das Bild, das NRW anhaftet. Als ich aus Niedersachsen hergezogen bin, haben meine Nachbarn mich bedauert. Sie haben sich gefreut, dass ich Minister werde, dachten aber, ich müsste ins Ruhrgebiet der fünfziger Jahre ziehen. Das Bild hat mit der Realität jedoch nichts mehr zu tun.

Wäre es dann nicht sinnvoll, daran etwas zu ändern?

Duin Ich sehe nicht ein, viel Geld für eine teure Werbeagentur auszugeben, nur um auf ein paar Plakaten schöne Bilder von NRW zu zeigen. Das Bild ändert man nur durch Erfolge. Im Übrigen bezweifele ich, dass sich nur wegen des Spruchs irgendeine Firma in Berlin angesiedelt hat.

Trotzdem wurde Berlin zum Zentrum für Gründer in Deutschland.

Duin Das ist so - und Wowereit dürfte sich noch heute darüber kaputt lachen, dass man dafür nicht mal viel machen musste. Die Gründer kamen von allein. Berlin hat extrem vom Ruf als Weltstadt profitiert. Manche Dinge suchen sich einfach einen Weg - und wenn nicht, muss man dafür richtig arbeiten so wie wir. Wir haben als erstes Bundesland einen Digitalbeauftragten eingesetzt und einen digitalen Beirat einberufen, der für uns eine Strategie entwickelt hat.

Viele große Unternehmen aus NRW haben dennoch ihre digitalen Töchter in Berlin eröffnet.

Duin Unser Programm stammt von Leuten aus der Szene, nicht von Politikern. Das wird sich langfristig auszahlen. Trotzdem ist es nicht so, dass nach so einer Entscheidung 30 Firmenchefs sofort ihre Planungen ändern. Es braucht etwas Zeit.

Als der Konzern Haniel sein Digitalprojekt in Essen eröffnet hat, wirkten Sie bei der Eröffnung erleichtert.

Duin Ja, das hat mich gefreut. Schön war vor allem, dass es keine politische Entscheidung war. Die Manager haben sich im Silicon Valley, Tel Aviv und Berlin umgeschaut - und sich am Ende für Essen entschieden. Und es gibt ja nicht nur Haniel, auch andere Unternehmen entscheiden sich jetzt für NRW.

Köln, Düsseldorf, Ruhrgebiet - in den Zentren mag ja angekommen sein, dass etwas passieren muss. Wie sieht es in den ländlichen Regionen aus?

Duin Ich habe mal vor Unternehmern in Ostwestfalen über die Digitalisierung als Herausforderung gesprochen. Da habe ich in viele ratlose, teilweise desinteressierte Gesichter geblickt. Und eine Unternehmerin hat mir mal gesagt: Lass mich mit dem digitalen Kram in Ruhe, ich muss Blech biegen, das ist mein Geschäft. Zu glauben, die Digitalisierung ginge an einem vorbei, ist ein Fehler. Da muss die Politik aufklären.

Das macht wenig Hoffnung für die Rolle von NRW beim Thema Industrie 4.0, der Vernetzung von Maschinen.

Duin Dafür schaffen wir Rahmenbedingungen, organisieren Netzwerke, locken Start-ups an und richten die Bildung auf die Herausforderungen durch die Digitalisierung aus. Es gibt auch positive Beispiele. Ich habe einen Gründer getroffen, der eine Softwareidee aus einem Bauunternehmen heraus entwickelt hat. Das war ein kaufmännischer Angestellter.

Im Wirtschaftswachstum schlägt sich das noch nicht nieder.

Duin Wenn große Energie- und Stahlkonzerne Umsatzeinbrüche haben, kann ich gar nicht genug Handwerksbetriebe mit guten Wachstumsraten finden, die wirtschaftlich ausgleichen, was bei einigen Dax-Unternehmen gerade verloren geht.

Wirtschaftsforscher kritisieren, das Land tue zu wenig.

Duin Thyssenkrupp hat laut eigener Aussage Probleme wegen der Schwemme an billigem Stahl aus China. Ich habe nicht gelesen, dass man dort etwa dem Landeswassergesetz die Schuld an der Krise gibt. Natürlich gibt es Probleme, aber eben nicht in allen Branchen - und die Landesregierung ist auch nicht an allem schuld. Wir wollen nichts schönreden, aber die Menschen sollen nicht das Gefühl verlieren, dass dieses Land hier lebenswert ist.

Sie reisen in den Iran oder nach China. Wie blickt man da auf NRW?

Duin Die kennen alle das Ruhrgebiet und halten es für das Paradebeispiel für einen gelungenen Wandel. Natürlich wissen wir, dass wir dort eine überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit haben und einige Aufgaben auf uns warten - aber vergleichen Sie das mal mit Regionen in Spanien oder Griechenland, wo die Jugendarbeitslosigkeit bei mehr als 25 oder 50 Prozent liegt. Diese Probleme haben wir im Ruhrgebiet nicht, obwohl all das, wofür es vor 50 Jahren gestanden hat, nicht mehr da ist. Wenn wir Leuten in Kolumbien erzählen, dass wir damals 600.000 Beschäftigte im Bergbau hatten und jetzt 10.000, fragen die uns: Wie habt ihr das bewältigt?

Wo soll das Wachstum in Zukunft herkommen?

Duin Asien wird für uns als Markt natürlich immer wichtiger. Vor allem China ist ein Treiber.

Braucht es dafür chinesische Schulen hier vor Ort?

Duin Ich halte es für wichtig, dass wir uns mit dieser Frage intensiv auseinandersetzen, ob wir durch die richtige Infrastruktur noch stärker ein Heimatgefühl etablieren können. Es ist gut, dass chinesische Technologie-Unternehmen wie ZTE oder Huawei hier ihren Sitz eröffnet haben und nicht nicht in London oder München. Die werden in Zukunft wichtige Treiber für die Region sein.

DAS GESPRÄCH FÜHRTE FLORIAN RINKE.

(frin)
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