Düsseldorf/München Die Promi-Pendler aus dem Süden

Düsseldorf/München · Künftig leben vier der fünf wichtigsten Chefs von Düsseldorfer Konzernen in Süddeutschland. Der Trend zeigt: Die Zufriedenheit der Familie zählt auch bei der Elite mehr als nur der Job. Und digitale Technologie ermöglicht mehr Flexibilität.

Als Ulrich Hartmann 1993 Chef des Stromkonzerns Veba (jetzt Eon) wurde, zog er von Meerbusch ins Zooviertel in Düsseldorf um. Den Grund verriet der mittlerweile verstorbene Familienvater im persönlichen Gespräch: "Ich muss so viel arbeiten, da will ich in wenigen Minuten abends zu Hause sein."

Heutige Top-Manager sehen das anders. Wenn in den nächsten Wochen die neuen Chefs bei Vodafone Deutschland (Hannes Ametsreiter) und Ergo (Markus Rieß) in ihre Büros eingezogen sind, haben mit Vodafone, Ergo, Metro und Henkel vier der fünf wichtigsten Unternehmen in Düsseldorf einen Chef, der seinen privaten Hauptwohnsitz in München oder Stuttgart hat. Der einzige Chef eines Düsseldorfer Großkonzerns, der in der Stadt lebt, ist Eon-Lenker Johannes Teyssen.

"Ein gewisses Nomadentum scheint Trend im modernen Management zu sein", sagt Axel Pollheim, Düsseldorfer Veranstaltungsmanager, "als Risiko können sich die Leute dann in der Firma und privat weniger gut vernetzen." Sprecher der Unternehmen sagen dagegen, ihre Chefs seien dank Telefon, E-Mail und modernen Kommunikationswegen ebenso gut erreichbar wie vor Ort lebende Manager.

Unbestreitbar ist, dass die Betroffenen jede Woche mindestens vier Stunden zusätzliche Reisezeit auf sich nehmen müssen. "Diesen höheren Aufwand holen solche Führungskräfte dann aber oft mit sehr langer Präsenz in der Woche und abends wieder raus", sagt Jörg Will, Leiter der Kölner Personalberatung IFP, "am Wochenende konzentrieren sie sich dann auf die Familie."

Hauptziel der neuen Mobilität: Die Manager wollen den Wünschen der Ehepartner und Kinder nachkommen: Henkel-Chef Kasper Rorsted (53) ließ vor zwei Jahren seine Frau und die vier Kinder nach München umziehen. Die Familie hatte viele Jahre lang an der Isar gewohnt und dort mehr Freunde gefunden als in rund acht Jahren am Rhein - also entschied sie sich für die Rückkehr.

Der aus Aachen kommende neue Ergo-Chef Rieß lebt seit 25 Jahren in München, ist verheiratet und hat ein Kind - da wird erst einmal nicht umgezogen. Ob das auf Dauer so bleibt, ist offen: Rieß hat sich ein großes Haus gekauft - späterer Familiennachzug ist also nicht ausgeschlossen. Er betont, sich in Düsseldorf auch am gesellschaftlichen Leben beteiligen zu wollen. Was ihn an der Isar halten könnte, ist sein gleichzeitiges Amt als Vorstand des Ergo-Mutterkonzerns Munich Re. Beziehungspflege in Bayern ist für Rieß daher machtpolitisch wichtiger als für seinen Amtsvorgänger Torsten Oletzky, der nicht im Vorstand des Mutterkonzerns saß.

Als Olaf Koch 2009 von Daimler zum Handelskonzern Metro wechselte, ließ der jetzt 46-Jährige seine Frau und die drei Kinder im Norden von Stuttgart zurück. Er müsse laufend rund um den Globus jetten, also solle die Familie in ihrer gewohnten Umgebung bleiben, sagte Koch damals. "Es wäre unfair, eine Familie zu entwurzeln und dann keine Zeit für sie zu haben."

Beim künftigen Vodafone-Deutschland-Spitzenmann Ametsreiter (48), bisher Chef der Telekom Austria und ab 1. Oktober in Düsseldorf, zieht auch die Familie von Wien weg. Aber nicht an den Rhein, sondern nach München. Ein Grund: Ehefrau Marie-Hélène gründet an der Isar eine weitere Niederlassung des Wiener Unternehmens Speedinvest, das sich an Start-up-Firmen beteiligt. Zudem sind sie und ihre Kinder der Heimat näher.

Mit Abneigung gegen den Standort NRW hat das Pendeln der Manager wohl nichts zu tun. Es gibt viele, die Verbundenheit zum Standort zeigen: Der aus München kommende Bauernsohn Heinrich Hiesinger (ThyssenKrupp), Klaus Engel (Evonik) und Werner Müller (RAG-Stiftung) leben ebenso im Süden Essens oder im angrenzenden Mülheim wie RWE-Chef Peter Terium.

Düsseldorf sowie sein Umfeld sind auch für so manche nicht in der Landeshauptstadt arbeitende Spitzenkraft ein attraktiver Wohnort: Bayer-Chef Marijn Dekkers zog wegen der internationalen Schule in Kaiserswerth in die Stadt, Ex-Telekom-Chef Ron Sommer lebt in Meerbusch (seinen Hauptjob hat er in Moskau als Aufsichtsratschef), und Telekom-Vorstandsmitglied Claudia Nemat zieht es nicht nach Bonn, nachdem die Familie gerade in Düsseldorf umgezogen ist.

Selbst ein Job in Berlin ist nicht zwangsläufig ein Umzugsgrund. Als Klaus Müller 2014 Chef des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen wurde, blieben Frau und Kinder hier: "Unsere Mädchen wollen ihre Freunde behalten, die Schule ist gut, also bin ich nun der Pendel-Papi und kann in Berlin umso fleißiger Termine wahrnehmen", sagt der frühere Chef der NRW-Verbraucherzentrale.

(RP)
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