Paris Die Ungleichheit in der Welt nimmt zu

Paris · In vielen Ländern wachsen die Unterschiede beim Einkommen, sagt die Studie des Ökonomen Thomas Piketty. Doch zwischen den reichen und armen Länder schließt sich die Schere etwas. Deutschland ist besonders gleich.

Der französische Ökonom Thomas Pikettty sorgt mit einer neuen Studie zur Einkommensverteilung erneut für Wirbel. Danach hat die Ungleichheit in der Welt weiter zugenommen, so das Fazit des "Berichts zur weltweiten Ungleichheit", den Piketty gestern vorstellte. Demnach konnten die reichsten ein Prozent eines Landes mehr als doppelt so stark vom Wachstum profitieren wie die untere Hälfte.

Zugleich sind die regionalen Unterschiede groß: "Seit 1980 ist die Einkommensungleichheit in Nordamerika, China, Indien und Russland rasant gestiegen. In Europa verlief der Anstieg dagegen moderat", heißt es in dem Bericht, an dem 100 Forscher beteiligt waren. Im Nahen Osten beziehen die reichsten zehn Prozent demnach 61 Prozent des gesamten Volkseinkommens. Dort ist Einkommen besonders ungleich verteilt. Auch in Schwellenländern wie Indien und Brasilien geht mehr als die Hälfte das Nationaleinkommens an eine kleine Gruppe (siehe Grafik). Anders sieht es in Europa aus: Hier erhalten die reichsten zehn Prozent "nur" 37 Prozent des Volkseinkommens.

In Deutschland fließt den zehn Prozent Reichsten 40 Prozent zu, auf die untere Hälfte entfallen nur 17 Prozent. Damit sei das Gefälle genauso groß wie vor 100 Jahren, kritisiert Piketty.

Was er aber außer Acht lässt, ist die Umverteilung durch den Staat. Die Forscher haben sich die Verteilung der Bruttoeinkommen angesehen, nicht aber die Umverteilung durch Steuern und Transfers. Dabei zahlen die zehn Prozent reichsten Steuerzahler die Hälfte der gesamten Einkommensteuer, so das Institut der deutschen Wirtschaft.

Entsprechend sagt auch Charlotte Bartels vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), das die deutschen Daten auswertete: "Insgesamt ist die Einkommensungleichheit in Deutschland heute nicht radikal höher oder radikal niedriger als vor 100 Jahren. Allerdings ist sie seit der Jahrtausendwende gestiegen." Weiter betont sie: "Einschließlich Sozialtransfers, die mit den Bruttoeinkommen nicht erfasst werden, sehen die Zahlen für die unteren Einkommen vermutlich besser aus." Die Mittelschicht in Deutschland ist ohnehin stabil mit 40 Prozent am Gesamteinkommen - ähnlich wie vor 100 Jahren.

Was Piketty auch verschweigt: Dass die Ungleichheit in China gewachsen ist, bedeutet nicht, dass es den Chinesen schlechter geht. China ist insgesamt gewachsen - und davon hat die Oberschicht offenkundig eben mehr profitiert als die Unterschicht. Gleichwohl kann es damit auch der Unterschicht absolut gesehen viel besser gehen als 20 Jahre zuvor.

Dennoch leiten die Forscher aus dem Ergebnis ihrer Studie weitreichende Forderungen ab: "Hauptursache der ökonomischen Ungleichheit ist die ungleiche Verteilung von Kapital", schreiben die Forscher. Seit 1980 sei in fast allen Ländern - reiche Industrieländer genauso wie Schwellenländer - riesige Mengen an öffentlichem Vermögen in private Hände transferiert worden. Das schränke nun den Staat ein.

Piketty, der vor wenigen Jahren mit seinem kapitalismuskritischen Buch "Das Kapital im 21. Jahrhundert" einen Bestseller gelandet hatte, regt erneut massive staatliche Maßnahmen an: Er fordert eine schärfere Besteuerung von Einkommen und Vermögen - sowie eine schärfere Kontrolle der Gelder. "Ein globales Finanzregister, in dem die Eigentümer von Vermögenswerten erfasst sind, würde Steuerflucht, Geldwäsche und steigender Ungleichheit einen schweren Schlag versetzen." Da dürften nicht nur Datenschützer aufschreien. Entsprechend schreibt Piketty: "Wir erwarten nicht, dass alle mit unserer Bewertung übereinstimmen."

Mehr Zustimmung dürften die Autoren mit ihrem Rat finden, mehr für Bildung zu tun: "Die Verbesserung des gleichen Zugangs zu Bildung und gut bezahlter Beschäftigung ist von zentraler Bedeutung zur Beschleunigung des stagnierenden oder schleppenden Wachstums beim Einkommen der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung."

(anh)
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