St. Gallen Digitalisierung erhöht Risiko für Burn-out

St. Gallen · Je digitaler das Arbeitsleben, desto geringer schätzen Menschen ihr Wohlbefinden ein. Laut einer Studie der Universität St. Gallen haben auch junge Arbeitnehmer Angst, durch Technologie verdrängt zu werden - ein Ticket zum Burn-out.

Wer sich in der Freizeit nicht genügend von seinem Beruf distanzieren kann, dem droht der Burn-out. Dass der Trend zur Digitalisierung im Job dieses Risiko noch erhöht, zeigt eine aktuelle Studie der Universität St. Gallen. Anhand der Ergebnisse einer Umfrage unter 8000 deutschen Arbeitnehmern identifizierte ein Schweizer Forscherteam Probleme, denen sich Menschen durch neue technologische Möglichkeiten in ihrem Alltag ausgesetzt sehen. Denn die Verlockung, auch nach Dienstschluss noch E-Mails zu beantworten und so kommunikative Sonderschichten zu schieben, spüren längst nicht mehr nur die IT-nahen Berufe.

"Die Digitalisierung ist voll in der Erwerbsbevölkerung angekommen", sagt Studienleiter Stephan Böhm. So habe sich gezeigt, dass die Unterschiede im Digitalisierungsgrad zwischen den einzelnen Berufen nur minimal seien. Dieser betrage beispielsweise selbst bei Reinigungskräften bereits 37 Prozent. Zum Vergleich: Arbeitnehmer aus IT-Berufen und dem naturwissenschaftlichen Bereich gaben den Grad der Digitalisierung ihres Alltags mit 62 Prozent an.

Deutlich unterschiedlich nehmen Arbeitnehmer aus den verschiedenen Branchen jedoch die tatsächlichen oder nur gefühlten Pflichten wahr, die sich aus der Technologisierung ihres Arbeitslebens ergeben. Nur jeder zehnte Arbeitnehmer in einem lehrenden oder ausbildenden Beruf ist der Ansicht, dass ihn die Technologie am Arbeitsplatz dazu zwingt, schneller zu arbeiten. Mehr als doppelt so viele, nämlich 24 Prozent der Befragten aus metallerzeugenden oder -verarbeitenden Berufen, fühlen sich durch ihre zunehmend technisierte Arbeitsumgebung unter Druck gesetzt. Dass Digitalisierung effizienter macht, glauben drei Viertel der Befragten aus naturwissenschaftlichen Berufen, aber nur 39 Prozent der Arbeitnehmer aus Erziehung, sozialen und hauswirtschaftlichen Berufen.

Die Studie entstand im Auftrag der Barmer-Krankenkasse. Deren Vorstandsvorsitzender Christoph Straub warnt vor den Folgen für die Gesundheit: "Die Digitalisierung des Arbeitslebens bietet nicht nur Chancen, falsch betrieben führt sie zu gesundheitlichen Risiken." Aus der Mehrbelastung, die Arbeitnehmer dadurch erfahren, ließen sich in vielen Fällen auch Einschlafschwierigkeiten, Kopf- und Rückenschmerzen sowie "emotionale Erschöpfung" ableiten, sagt Studienleiter Böhm. Doch auch andere Bereiche des Privatlebens können leiden, wenn man sich in der eigentlich freien Zeit zu sehr mit der Arbeit beschäftigt. "18 Prozent aller Konflikte zwischen Arbeit und Familie hängen mit der Digitalisierung zusammen", erklärt Böhm. Knapp ein Viertel der Befragten hat angegeben, sich durch die Arbeit ausgebrannt zu fühlen.

"Man muss lernen, das Smartphone auch einmal wegzulegen", sagte Andrea Nahles (SPD), Bundesministerin für Arbeit und Soziales, zu den Ergebnissen der Studie. Der digitale Wandel stelle Arbeitnehmer und Arbeitgeber vor neue Herausforderungen, die diese nur gemeinsam lösen könnten. "Es gilt, neue Flexibilitätskompromisse zu verhandeln, die sowohl den Anforderungen der digitalen Arbeitswelt als auch den familiären und gesundheitlichen Bedürfnissen der Beschäftigten Rechnung tragen."

Interessant ist die Studie auch im Hinblick auf die Erwartungen, die die Umfrageteilnehmer der Technologisierung entgegenbringen. Eine Angst, die sich durch alle Branchen zieht, ist die vor dem Arbeitsplatzverlust durch neue Technologien: Fast ein Drittel der Unter-30-Jährigen befürchtet, durch die Digitalisierung verdrängt zu werden. Dieser Anteil nimmt mit steigendem Alter leicht ab, von den Befragten über 60 sind aber immerhin 17 Prozent der Meinung, dass Technik ihren Job gefährde. Dies dämpft aber nicht den Optimismus, mit dem diese Altersgruppen die Technologisierung im Allgemeinen betrachten: Ganze 66 Prozent der Menschen zwischen 18 und 29 Jahren freuen sich diesbezüglich auf die Zukunft. Bei den Senioren sind es 61 Prozent.

(bur)
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