DIHK-Präsident Eric Schweitzer "Wir könnten TTIP jetzt gut gebrauchen"

Berlin/Düsseldorf · DIHK-Präsident Eric Schweitzer ruft die Bundesregierung dazu auf, die Verhandlungen über das amerikanisch-europäische Abkommen TTIP wieder aufzunehmen. Dem freien Handel "verdanken wir Europäer einen erheblichen Teil unseres Wohlstandes".

 Eric Schweitzer, Präsident des DIHK.

Eric Schweitzer, Präsident des DIHK.

Foto: DPA / Hannibal Hanschke

Herr Schweitzer, bei allem Ärger, den US-Präsident Donald Trump hat: Vielleicht kann er ja doch noch mit wirtschaftlichem Erfolg überzeugen?

Schweitzer Das ist den Amerikanern zu wünschen. Für eine seriöse Beurteilung der Wirtschaftspolitik des amtierenden Präsidenten ist es in jedem Fall zu früh. Wichtig ist, dass wir weiterhin offen miteinander reden. Die USA sind mit 107 Milliarden Euro pro Jahr der größte Abnehmer deutscher Exporte. Hierzulande hängen eine Million Arbeitsplätze an Exporten in die USA, dort sind 700.000 Menschen in deutschen Unternehmen beschäftigt. Die Verflechtungen sind also sehr stark.

Rechnen Sie damit, dass Trump seine Drohung wahr macht und Strafzölle gegen deutsche Unternehmen verhängt?

Schweitzer In seinen ersten Plänen zum Beispiel für die Steuerreformen tauchen diese nun zumindest nicht auf. Das lässt mich hoffen. Vielleicht hat der Präsident verstanden, dass sich solche Strafzölle in höheren Preisen für seine Wähler niederschlagen würden. Daran kann er kein Interesse haben. Sein Ziel, Amerika wieder wirtschaftlich größer zu machen, lässt sich auf klügere Weise erreichen.

Haben sich schon Unternehmen bei Ihnen gemeldet, die ihre Produktionsstätten wegen zunehmend unsicherer Rahmenbedingungen nach Deutschland zurückholen wollen?

Schweitzer Unsere Wirtschaftskontakte entwickeln sich im Gegensatz zu manchen Annahmen gut. Die Exporte in die USA sind im ersten Quartal noch einmal um acht Prozent gestiegen, im gesamten Jahr geht unsere Prognose sogar von zehn Prozent Plus aus. Deutsche Unternehmen, die in den USA ansässig sind, halten an ihren Investitionen in den USA fest. Damit bringt die deutsche Wirtschaft auch mehr Wertschöpfung nach Amerika. Aber die USA selbst müssen insgesamt noch deutlich wettbewerbsfähiger werden — etwa bei Infrastruktur und Ausbildung.

Ein Weg, wie Trump das erreichen will, ist über geringere Unternehmenssteuern. Was bedeutet das für die deutsche Wirtschaft?

Schweitzer Das ist eine zusätzliche Herausforderung im internationalen Wettbewerb. In Deutschland brauchen wir für die hiesigen Unternehmen eine Steuerreform, die Investitionen stärker belohnt. Die meisten Unternehmen in Deutschland sind Personengesellschaften. Für die ist relevant, dass endlich der Mittelstandsbauch in der Einkommensteuer beseitigt wird. Der Abbau des Solis würde alle Unternehmen entlasten. Und bei uns ist das Abschreibungsrecht veraltet — selbst wenn Bundestag und Bundesrat jetzt bei Anschaffungen mit geringem Wert endlich einen ersten Schritt getan haben. Außerdem müssen die Energiekosten sinken, insbesondere die Doppelbelastung durch Stromsteuer und EEG-Umlage verschlechtert unsere Wettbewerbsituation gegenüber den USA.

Was bedeutet das Wahlergebnis in Großbritannien für die Brexit-Verhandlungen und die deutschen Unternehmen?

Schweitzer Es bedeutet die Fortsetzung großer Unsicherheit. Die Unternehmen wünschen sich, dass weiterhin Waren und Dienstleistungen ungehindert ausgetauscht werden können. Dabei geht es nicht nur um Handel, sondern daran hängen ganze Wertschöpfungsketten. Und Menschen: Deutsche Unternehmen haben in Großbritannien mehr als 2000 Niederlassungen mit rund 400.000 Mitarbeitern, auch aus dem EU-Ausland. Deren Rechte müssen jetzt trotz der drohenden Hängepartie schnell geklärt werden. Deshalb sollte im Interesse der Unternehmen bereits während der Verhandlungen, wenn die ersten Fortschritte erzielt wurden, die Möglichkeit einer Übergangsvereinbarung geprüft werden. Denn andernfalls drohen die EU und Großbritannien nach zwei Jahren im Verhältnis zueinander auf den WTO-Mindeststandard zurückzufallen — und das wäre für die wirtschaftlichen Beziehungen fatal.

Machen Sie sich angesichts des drohenden Brexits Sorgen um die deutschen Exporte nach England?

Schweitzer Ja, die sind bereits deutlich gesunken, allein im ersten Quartal um 2,6 Prozent. Gleichzeitig sind die deutschen Exporte in die gesamte EU um sechs Prozent gestiegen. Der mögliche Brexit schlägt sich also bereits nieder. Wir haben schon vor Wochen mehr als 1300 in Großbritannien engagierte deutsche Unternehmen zu ihren Zukunftsaussichten gefragt. 40 Prozent gehen von einer negativen Entwicklung aus und immerhin zehn Prozent denken konkret darüber nach, ihre Investitionen in andere Länder zu verlagern. Das ist ein besorgniserregender Wert.

Was beunruhigt Sie am meisten?

Schweitzer Dass nahezu überall auf der Welt protektionistische Tendenzen zunehmen. Das ist eine wirtschaftsfeindliche Rolle rückwärts.

Also sollte die nächste Bundesregierung auch die Verhandlungen für das Freihandelsabkommen TTIP wiederbeleben?

Schweitzer Wenn die Entwicklungen nach der US-Wahl eins gezeigt haben, dann, dass wir TTIP mit vereinbarten Standards und Handelsbedingungen jetzt sehr gut gebrauchen könnten. Ich wünsche mir daher auch von der nächsten Bundesregierung einen intensiven Einsatz für ein ausgewogenes TTIP und weitere Handelsabkommen. In Europa haben wir ja erfreulicherweise bereits freien Handel weitgehend ohne nationale Diskriminierungen. Und diesem Binnenmarkt verdanken wir Europäer einen erheblichen Teil unseres Wohlstandes. Wir müssen diesen Geist auch wieder selbstbewusster in der Welt vertreten.

Die Krise von Katar zeigt, wie schnell ein Land abrutschen kann. Auch in Deutschland hat das Königreich viel investiert. Wie geht es weiter?

Schweitzer In der Tat sind die Verbindungen eng. Katar gehören u.a. 17 Prozent von Volkswagen, acht Prozent von Siemens, sechs Prozent von der Deutschen Bank. Die Golfregion ist derzeit die schwierigste weltweit. Alle politischen und wirtschaftlichen Akteure sollten auf Deeskalation statt auf Emotionen setzen. Wir als deutsche Wirtschaft tun das tagtäglich über unsere Auslandshandelskammern. Unser Motto heißt: Brücken bauen.

Wer kann das besser? Bundeskanzlerin Merkel oder der deutsche Außenminister Gabriel?

Schweitzer Die DIHK ist zu politischer Neutralität verpflichtet. Das ist auch mir persönlich sehr wichtig. Ich habe beide Politiker mehrfach im Ausland erlebt, Sigmar Gabriel damals noch als Wirtschaftsminister. Der Respekt und die Anerkennung, die Angela Merkel in der Welt genießt, ist sehr hoch. Das gilt in ähnlicher Weise für Sigmar Gabriel. Ich kann beide nur daran messen, ob sie international auch für die Interessen der deutschen Wirtschaft eintreten. Und das tun sie.

Sie sprachen davon, dass Emotionen kein guter Ratgeber sind. Gabriel eckte doch aber wiederholt genau deswegen an, etwa bei einer Delegationsreise nach China.

Schweitzer Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Wirtschaftsvertreter und ein Sozialdemokrat ab und an unterschiedlicher Auffassung sind. Aber ich halte es für einen Vorteil, dass sich unser Außenminister — nicht zuletzt über unsere Auslandshandelskammern - sehr intensiv über Probleme der Unternehmen informiert.

In Frankreich hat es einen wichtigen Kurswechsel gegeben. Was halten Sie von dem Vorschlag des neuen Staatspräsidenten Macron eines gemeinsamen Eurozonen-Haushalts?

Schweitzer Es hängt immer davon ab, wie das genau aussehen soll. Grundsätzlich halte ich es für richtig, Ländern bei einem Strukturwandel mit Mitteln aus einem Investitionsfonds der EU zu helfen. Bei aller Unsicherheit in der Welt muss die Antwort ein starkes Europa sein, das seine Mitglieder in schwierigen Phasen begleitet.

Viele Unternehmen beschäftigen bereits Flüchtlinge. Immer wieder kommt es jedoch vor, dass sie trotz Arbeitsvertrags abgeschoben werden sollen. Wie geht das besser?

Schweitzer Die Unternehmen brauchen vor allem Rechts- und Planungssicherheit, wenn sie Flüchtlinge einstellen. Schnellere Asylverfahren können hier Klarheit schaffen. Bei Azubis soll die 3+2-Regelung garantieren, dass Geflüchtete während der Ausbildung und einer Anschlussbeschäftigung nicht abgeschoben werden. In der Praxis muss diese Regelung nun einheitlich und unbürokratisch umgesetzt werden, was leider noch nicht immer Fall ist. Hier gibt es deshalb noch viel Unsicherheit bei den Unternehmen.

Jan Drebes führte das Interview.

(RP)
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