Frankfurt Draghi schiebt die Zinswende hinaus

Frankfurt · Morgen wird der EZB-Präsident 70 Jahre alt. Will er nicht als inflationärer Italiener in die Notenbank-Geschichte eingehen, muss er bis zum Ende seiner Amtszeit die Wende schaffen. Am Donnerstag berät er die nächsten Schritte.

Frankfurt: Draghi schiebt die Zinswende hinaus
Foto: dpa, brx cdt

Die einen halten ihn für "Super-Mario", die anderen für den größten Enteigner deutscher Sparer. Doch unabhängig davon, wie man zum Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) steht - Mario Draghi hat Geschichte geschrieben. Im Juli 2012 brauchte er nur wenige Worte, um den Zerfall der Euro-Zone zu verhindern: "Whatever it takes" - die EZB werde alles tun, um den Euro zu retten, hatte er damals gesagt. Damit stoppte der frühere Jesuitenschüler die Spekulation der Märkte gegen Italien und die Ansteckung weiterer Länder mit dem Hellas-Virus. Morgen wird der Ökonomie-Professor 70 Jahre.

2011 stieg er zum EZB-Präsidenten auf, nachdem - und das vergessen deutsche Kritiker gerne - der eigentliche Favorit, der damalige Bundesbank-Chef Axel Weber, beleidigt ausgestiegen war. Und so kam ein Italiener, der zuvor Banker bei Goldman Sachs und Chef der heimischen Notenbank war, auf den einflussreichen Posten. "Mamma mia", schrieb die "Bild"-Zeitung. Draghi antwortete per "Zeit"-Interview, die Deutschen vergäßen, dass ihre Inflationserfahrung aus den 20er Jahren stamme, seine, Draghis, aber aus den 70ern, als die Lira-Schwindsucht auch sein Erbe aufzehrte.

Tatsächlich ist die Inflationsrate im Euroraum viel niedriger, als sie es zu D-Mark-Zeiten war. Das liegt zum einen an den niedrigen Energiepreisen, zum anderen daran, dass sich die Geldflut der Europäischen Zentralbank bis heute nicht in entsprechende Güternachfrage umgesetzt hat. Dennoch wird es Zeit, wenigstens den Einstieg in den Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik anzukündigen. "Ich würde den Ausstieg zügig gestalten", sagte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann der "Börsen-Zeitung".

2012 hatten noch Draghis knappe Worte gereicht, um zu beruhigen. Das zur Untermauerung seiner Worte gestartete Programm zum Ankauf von Anleihen aus Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Italien ("Outright Monetary Transactions") wurde bis heute nicht genutzt. Kein Euro floss.

Doch angesichts der schwachen Konjunktur und Inflation startete Draghi 2015 ein neues Programm zum Kauf von Staats- und Unternehmensanleihen aus dem gesamten Euro-Raum ("Quantitative Easing"). Bislang hat die EZB darüber die gewaltige Summe von zwei Billionen Euro ausgegeben. Das Programm läuft Ende des Jahres aus.

Am Donnerstag kommt der EZB-Rat, dem Draghi und Weidmann angehören, zur Sitzung nach der Sommerpause zusammen. Beobachter erwarten nicht, dass sie die Zinswende einleiten. Vizepräsident Vitor Constancio hängte gestern die Erwartungen tief: "Die Aufgaben, die Inflation und die Arbeitslosigkeit auf akzeptable Niveaus zu normalisieren, sind weiterhin schwierig." Erschwert wird die Zinswende durch den jüngsten Höhenflug des Euro: Der macht Importe etwa von Öl und Rohstoffen noch günstiger, was die Inflation weiter drückt. Wohl aber wird die Notenbank nächste Woche eine neue Prognose für Wachstum und Inflation vorlegen, die Basis künftiger Entscheidungen sein wird. Beobachter gehen davon aus, dass der EZB-Rat auf der Sitzung am 26. Oktober das Quantitative-Easing-Programm zunächst über 2017 hinaus verlängern wird, um die Märkte nicht zu verschrecken, zugleich aber ein Ausschleichen ankündigen wird. So könnte Draghi erklären, ab wann er das Ankaufvolumen von 80 Milliarden Euro pro Monat zurückfahren will. Der Leitzins, der seit März 2016 bei null Prozent liegt, soll ohnehin erst in fernerer Zukunft angehoben werden. Für Sparer bedeutet dies, dass die Niedrigzinsphase noch über 2018 hinaus andauern wird.

Draghis Amtszeit endet im Oktober 2019. Will er nicht als der inflationäre Italiener in die Währungsgeschichte eingehen, muss er bis dahin die Zinswende geschafft haben.

(anh)
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