Malta/Frankfurt Draghi will noch mehr Geld drucken

Malta/Frankfurt · Die Europäische Zentralbank belässt den Leitzins auf dem Rekordtief. Die Geldpolitik könnte weiter gelockert werden.

Die Europäische Zentralbank steht bereit: Um Konjunktur und Preisauftrieb anzuschieben, halten sich die Währungshüter eine Ausweitung ihrer milliardenschweren Geldflut offen. "Wir haben den Willen und die Fähigkeit alle Instrumente einzusetzen, die unser Mandat erlaubt, wenn das nötig ist", sagte EZB-Präsident Mario Draghi gestern nach der auswärtigen Ratssitzung auf Malta. Zugleich beließ die EZB den Leitzins auf dem Rekordtief von 0,05 Prozent.

Die Aussicht auf eine weitere Lockerung der Geldpolitik sorgte für steigende Kurse am Aktienmarkt, der Euro gab dagegen deutlich nach. Draghi bestätigte frühere Angaben, wonach das im März begonnene Programm zum Kauf von Staatsanleihen und anderen Vermögenswerten notfalls im Umfang ausgedehnt oder zeitlich gestreckt werden könnte. Der EZB-Rat werde die Wirkung des Programms im Dezember analysieren. Dann liegen die neuen Konjunkturprognosen des EZB-Stabs vor.

Sorgen bereitet den Währungshütern die Konjunkturabkühlung in wichtigen Schwellenländern wie China. Auch den zuletzt wieder etwas stärkeren Euro sieht die EZB mit Unbehagen. Denn das drückt die Inflation noch weiter und verteuert zugleich europäische Exporte auf dem Weltmarkt.

Bisher will die EZB bis mindestens September 2016 monatlich Staatsanleihen und andere Vermögenswerte im Wert von 60 Milliarden Euro kaufen, insgesamt 1,1 Billionen Euro. Bis zum 16. Oktober hat sie in diesem Rahmen allein Staatsanleihen im Gesamtvolumen von knapp 371 Milliarden Euro erworben. "Wir sind bereit, die Ausgestaltung des Kaufprogramms anzupassen", sagte Draghi.

Das frische Geld kommt im Idealfall über Geschäftsbanken in Form von Krediten bei Unternehmen und Verbrauchern an. Das soll Investitionen und Konsum anschieben, die Konjunktur in Schwung bringen und die Inflation anheizen.

Bislang laufe das Programm reibungslos und habe die Kreditbedingungen für Unternehmen und Haushalte verbessert, sagte Draghi. Besorgt zeigte er sich mit Blick auf das Wirtschaftswachstum und die Inflation im Euro-Raum. Hier seien die Risiken zuletzt gestiegen.

Diskutiert wurde bei der Ratssitzung Draghi zufolge auch eine weitere Verschärfung der Strafzinsen von derzeit 0,2 Prozent, die Banken zahlen müssen, wenn sie ihr Geld bei der EZB parken. Die Notenbank will erreichen, dass die Finanzinstitute das viele billige Geld, das ihnen die EZB zur Verfügung stellt, an Unternehmen und Verbraucher weiterreichen, damit es in Investitionen und Konsum fließt. Es habe bei der Sitzung aber keine Präferenz für ein bestimmtes geldpolitisches Instrument gegeben, sagte Draghi.

Trotz Zinsen nahe Null und der Geldschwemme ist die Teuerung im Euroraum allerdings weiterhin weit vom EZB-Ziel von knapp unter zwei Prozent entfernt. Im September sank die Inflation sogar auf minus 0,1 Prozent nach plus 0,1 Prozent im August - vor allem, weil die Ölpreise erneut abstürzten.

Eine mögliche Ausweitung des Kaufprogramms ist umstritten. "Für die Märkte kann es nie genug sein. Für die Realwirtschaft würde ein Aufstocken des Anleiheprogramms aktuell aber wenig bringen", betonte ING-Diba-Chefvolkswirt Carsten Brezski. "Es hätte viel mehr den Anschein einer Verzweiflungstat."

KfW-Chefvolkswirt Jörg Zeuner hält eine abwartende Haltung der EZB jedenfalls für angebracht: "Die Erholung der Eurozone ist weiterhin intakt. Gleichzeitig haben sich die Finanzmärkte beruhigt, und für die Schwellenländer gibt es erste Signale der Stabilisierung." Da müsse die EZB ihr Pulver trocken halten.

Ohnehin sieht etwa Bundesbankpräsident Jens Weidmann in der schwachen Preisentwicklung keinen Anlass für eine weitergehende geldpolitische Lockerung: "Ich rate dazu, nicht in hektischen Aktionismus zu verfallen und jetzt Kurs zu halten." Der Hauptgrund für die derzeit sehr niedrigen Inflationsraten sei der gesunkene Ölpreis. Dessen Einfluss auf die Teuerungsrate werde aber nur vorübergehend sein.

(dpa)
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