Düsseldorf Drei Bestandsaufnahmen - eine Botschaft

Düsseldorf · Immer wieder wurde Deutschland Versagen bei der Digitalisierung vorgeworfen: zu langsam, zu bürokratisch, zu wenig innovativ. Nun erschienen drei Bücher, die zeigen: Es gibt Hoffnung, allerdings nur wenig und dafür ein sehr großes "aber".

Es ist erst knapp drei Jahre her, dass der Axel- Springer-Verlag eine kleine Gruppe Mitarbeiter auf Studienreise ins Silicon Valley geschickt hat. Heute kommt einem das wie eine Ewigkeit vor - und im Digitalzeitalter, wo neue Apps im Wochentakt ganze Branchen umkrempeln können, ist es das vielleicht sogar. Die Zeit im Technik-Mekka hat nicht nur die Springer-Männer geprägt: Kai Diekmann, Chef der Bild-Zeitung, trug plötzlich Vollbart und Kapuzenpulli statt Sakko und Gelfrisur, und Springer-Vorstand Christoph Keese wurde einer der gefragtesten Digital-Experten des Landes.

Denn Keeses Buch über diese Zeit, "Silicon Valley - Was aus dem mächtigsten Tal der Welt auf uns zukommt", wurde zur Pflichtlektüre in deutschen Vorstandsetagen. Dort las man plötzlich, wie rückständig das Land sei und wieso große Unternehmen wie Google, Facebook und Co. nicht hier, sondern in den USA entstanden seien. Das Buch war eine Ohrfeige für die deutsche Wirtschaft und plötzlich hörte man auf Konferenzen Vorstände Keeses Botschaften zitieren - indirekt natürlich. Das gab es sonst nur bei "The Second Machine Age", dem Digitalisierungs-Buch für Fortgeschrittene.

Mehr als 40.000 Mal wurde "Silicon Valley" inzwischen verkauft, seit 96 Wochen steht es auf der Wirtschaftsbestseller-Liste des Spiegel. Doch die Botschaft scheint noch immer nicht überall angekommen. Gleich drei aktuelle Bücher untersuchen den Zustand der deutschen Digital-Wirtschaft - und kommen zu einem überwiegend traurigen Befund: Noch immer passiert viel zu wenig.

Neben Keese haben sich auch Marc Beise und Ulrich Schäfer mit dem Thema in ihrem Buch "Deutschland digital - Unsere Antwort auf das Silicon Valley" auseinandergesetzt. Die beiden leiten die Wirtschaftsredaktion der "Süddeutschen Zeitung" und äußern sich noch am versöhnlichsten. Sie beschreiben Beispiele, die Mut machen, dass die viel beschworene "zweite Halbzeit" gelingt.

Von ihr ist im Zusammenhang mit Digitalisierung immer wieder die Rede - die erste, das Geschäft mit den Konsumenten, habe Deutschland an Amazon, Apple und Co. verloren, heißt es dann. In der zweiten Halbzeit, in der Maschinen und Produktionen vernetzt werden, schlage die Stunde der deutschen Industrie, wird gerne von Politikern und Managern betont.

Doch daran hat nicht nur Keese Zweifel. In der Vorrunde der Digitalisierung sei man längst ausgeschieden, schreibt er. Und obwohl auch der Springer-Mann einige positive Beispiele erkennt, überwiegt der Frust, dass drei Jahre nach der Rückkehr nach Deutschland so wenig passiert ist: "Ich führte die Kinder fort von einem Ort der Chancen und unendlichen Möglichkeiten."

Wenig schmeichelhaft fällt auch das Fazit von Tobias Kollmann und Holger Schmidt in "Deutschland 4.0 - Wie die digitale Transformation gelingt" aus. Kollmann leitet unter anderem den Lehrstuhl für E-Entrepreneurship an der Universität Duisburg-Essen und ist NRW-Digitalbeauftragter, Holger Schmidt betreibt das Internet-Blog "Netzökonom", auf dem er sich mit Veränderungen in der digitalen Welt auseinandersetzt. Entsprechend wissenschaftlich ist ihr Buch gehalten. Es werden viele Statistiken zitiert, wo in den beiden anderen Büchern Besuche oder Gespräche mit den Firmenchefs geschildert werden, und am Ende gibt es 25 Tipps, um die Situation zu verbessern, die teilweise den zwölf Tipps von Beise und Schäfer ähneln. Es scheint also Lösungen zu geben.

Doch die werden offenbar zu wenig beherzigt: "Der Abstand zur Weltspitze wird immer größer", schreiben Kollmann und Schmidt über die hiesige Internet-Wirtschaft. Das Land müsse mehr machen: "Einen Inkubator für Start-ups ins Leben zu rufen, die Krawatten abzulegen oder sich am Silicon-Valley-Tourismus zu beteiligen, ist eine Sache; die Digitalisierung ernsthaft anzugehen eine andere".

"Silicon Germany" (Christoph Keese), Knaus, 22,99 Euro "Deutschland digital" (Marc Beise und Ulrich Schäfer), Campus, 19,95 Euro "Deutschland 4.0" (Tobias Kollmann und Holger Schmidt", Springer, 24,99 Euro

(frin)
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