Verfahren gegen Deutschland eröffnet EEG-Umlage — die Folgen der EU-Pläne

Brüssel · Das Prüfverfahren der EU-Kommission könnte Milliardenrückzahlungen für deutsche Industrieunternehmen bedeuten. Es geht um die Firmen, die wegen ihres hohen Energiebedarfs von der EEG-Umlage befreit worden sind. EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia stellt die milliardenschweren Vergünstigungen für die deutsche Industrie bei der Ökostrom-Umlage infrage. Er hat ein vertieftes Prüfverfahren wegen unerlaubter Beihilfen eingeleitet. Wir beantworten die wichtigsten Fragen dazu.

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Was kritisiert Almunia?

Er hat "begründete Zweifel", dass die Rabatte mit EU-Recht vereinbar sind. Firmen, denen Begünstigungen oder Befreiungen von der EEG-Umlage gewährt werden, haben niedrigere Energie- und damit Betriebskosten als Konkurrenten ohne Nachlass. Dies könne den Wettbewerb im Binnenmarkt verzerren. Deshalb prüft die EU, ob die Ausnahmen "gerechtfertigt und verhältnismäßig sind" und den Wettbewerb nicht verfälschen. Für den Fall kann die Kommission von den Firmen die Vorteile zurückfordern — für bis zu drei Jahre.

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Foto: dapd

Die Industrie warnt vor Pleiten und Jobverlust. "Der Ausgang des Prüfverfahrens hat erheblichen Einfluss auf die Zukunft des Industriestandorts Deutschland", sagt Industrie-Präsident Ulrich Grillo und ergänzt: "Ein Wegfall der Entlastungen für energieintensive Unternehmen wäre für viele Firmen und Tausende Jobs das sofortige Aus."

Um wie viel Geld geht es?

Pro Jahr summieren sich die Rabatte für die gesamte deutsche Wirtschaft auf vier bis fünf Milliarden Euro. Im Erneuerbare-Energien-Gesetz werden für jede Kilowattstunde Strom aus Solar-, Wind- und Biomasseanlagen auf 20 Jahre garantierte Vergütungen festgelegt. Die Differenz zwischen dem am Markt erzielten Preis und der festen Vergütung bildet die Ökostrom-Umlage. Auch weil über sie umfassende Industrierabatte zu zahlen sind, treibt dies die Strompreise.

Sind Industrierabatte verboten?

Nein. Allerdings sollen sie in deutlich weniger Fällen erlaubt sein als bisher. Almunia hält sie nur für solche Betriebe für gerechtfertigt, die im internationalen Wettbewerb stehen und bei denen durch die zusätzlichen Belastungen die Gefahr einer Abwanderung aus der EU besteht — in Länder mit niedrigeren Klimaschutz-Standards.

Was beanstandet Almunia noch?

Das Grünstromprivileg. Die Teilbefreiung von der EEG-Umlage wird gewährt, wenn die von einem Lieferanten gelieferte Strommenge zu mindestens 50 Prozent aus inländischen Kraftwerken stammt, die erneuerbare Energie nutzen und seit höchstens 20 Jahren in Betrieb sind.

Was heißt das für die EEG-Reform?

Die große Koalition wird in der bis Ostern geplanten Reform wohl weiter gehen müssen als geplant. "Wir werden uns die EEG-Reform in Bezug auf ihre Vereinbarkeit mit unseren neuen Beihilfe-Leitlinien ansehen", kündigte Almunia an. Die Leitlinien sollen im Juli 2014 in Kraft treten. Nach jetzigem Stand wäre eine Einspeisevergütung — wie die im EEG — nach einer Übergangsphase de facto vom Tisch. An deren Stelle will Almunia generell Marktprämien setzen, also einen Aufschlag auf den Börsenpreis. Dessen Höhe soll per Auktion und nicht, wie von SPD und Union geplant, vom Staat festgelegt werden. Das gilt zumindest für ausgereifte Technologien. "Die neue Bundesregierung muss beim EEG, über das, was im Koalitionsvertrag steht hinaus nachbessern — vor allem bei der Art und Höhe der Förderung", sagt Herbert Reul, Chef der CDU/CSU-Abgeordneten im Europaparlament.

Bis wann entscheidet die EU?

Deutschland hat einen Monat Zeit, zu begründen, warum es die Industrie-Ausnahmen für angemessen hält. Die Kommission muss danach für die Entscheidung keine Frist einhalten. Angeblich hat sie in Aussicht gestellt, bis Sommer 2014 zu entscheiden. Sollten die EU-Wettbewerbshüter den Daumen senken, dürfen die Vergünstigungen nicht weiter gewährt und können rückwirkend zurückgefordert werden. Berlin kann dagegen vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) klagen. Umgekehrt kann auch die Kommission gegen Deutschland beim EuGH klagen, sollte Berlin den Vorgaben nicht folgen. Deutschland könnte zur Umsetzung mit Zwangsgeld verdonnert werden.

(ing)
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