Tarifstreit Ein bisschen Bahn-Frieden für 510 Euro

Düsseldorf · Etappensieg in einem scheinbar aussichtslosen Tarifstreit: Lokführergewerkschaft und Bahnmanagement einigen sich auf eine Einmalzahlung für dieses Jahr und wollen Ende Januar weiterverhandeln. Streiks sind damit vorerst vom Tisch.

 Claus Weselsky, Vorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), vor dem Hotel in Berlin, in dem verhandelt wurde.

Claus Weselsky, Vorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), vor dem Hotel in Berlin, in dem verhandelt wurde.

Foto: dpa, wst

Für all diejenigen, die im Januar auf die Bahn angewiesen sind, dürfte es ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk sein. Im festgefahrenen Tarifkonflikt zwischen der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) und der Deutschen Bahn hat es gestern eine Wende gegeben. Die für Januar angedrohten massiven Streiks der Lokführer, so die wichtigste Botschaft nach den mehrstündigen Verhandlungen, sind erst einmal vom Tisch. Noch kurz vor den Verhandlungen hatte die GDL und ihr Dachverband, der Deutsche Beamtenbund, noch einmal verbal die Muskeln spielen lassen und für den Januar einen der "schlimmsten Arbeitskämpfe aller Zeiten" angedroht.

Beide Seiten haben sich für die Entspannung der Lage aufeinanderzubewegt: Die Bahn kündigte für das laufende Jahr eine Einmalzahlung 510 Euro für die von der GDL vertretenen Berufsgruppen an. Im Februar sollen die GDL-Mitglieder das Geld auf dem Konto haben. Die Gewerkschaft erklärte sich ihrerseits dazu bereit, bei den für das kommende Jahr geplanten weiteren Verhandlungen nicht länger eine um zwei Stunden verkürzten Wochenarbeitszeit zu verlangen, sondern nur noch eine Stunde weniger Arbeitszeit zu fordern.

Die GDL bezeichnete das gestrige Ergebnis als "Durchbruch im Tarifkonflikt". Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber war da schon deutlich zurückhaltender: "Das ist mir ein bisschen großartig", sagte er nach den Verhandlungen. Und tatsächlich hat sich das Bahnmanagement mit der Gewährung der Einmalzahlung allenfalls etwas mehr Zeit verschafft. Denn am 19. und 28. Januar wollen beide Parteien in Berlin weiterverhandeln - GDL-Streiks sind danach immer noch möglich. Bei den Terminen soll es um konkrete Arbeitszeiten und Entgeltverbesserungen gehen.

Die eigentlichen Knackpunkte in den laufenden Tarifverhandlungen waren aber ohnehin nicht die Lohnhöhe oder die Wochenstunden, sondern vielmehr die Rangeleien von GDL und der konkurrierenden Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) um mehr Einfluss bei der Bahn. Die Lokführergewerkschaft hat in dieser Tarifrunde erstmals auch Forderungen für die Zugbegleiter, Bordgastronomen, Disponenten und Trainer erhoben, die EVG verhandelt im Gegenzug auch für die von ihr vertretenen Lokführer. Möglich machte dies eine Urteil aus dem Jahr 2010. Damals kippte das Bundesarbeitsgericht in Erfurt das Prinzip der Tarifeinheit, wonach es immer nur einen Tarifvertrag je Betrieb geben darf. Seitdem sind für ein- und dieselbe Berufsgruppe mehrere verschiedene Tarifverträge möglich - einen Zustand, den das Bahn-Management um jeden Preis vermeiden will.

Die wesentliche Erkenntnis der gestrigen Gespräche sei deshalb, so Bahn-Personalvorstand Weber, dass die GDL anerkenne, dass es das Interesse der Bahn sei, konkurrierende Tarifverträge und Tarifabschlüsse zu vermeiden.

Im Klartext: Die Bahn will die nun gefundene Lösung auch bei der EVG durchsetzen. Ein gleichlautendes Angebot sei der Gewerkschaft unterbreitet worden. So weit, so gut. Doch dass sich diese darauf auch einlassen wird, ist fraglich. Schließlich läuft die EVG Gefahr, dass die GDL die Lorbeeren für den Tarifvertrag einstreicht. Sie selbst würde einmal mehr als zahm dastehen. Und so bezeichnete EVG-Verhandlungsführerin Regina Rusch-Ziemba das Angebot als "in der vorliegenden Form nicht ausreichend". Die EVG stößt sich daran, dass die Zahlung nicht in den von ihr vertretenen Dienstleistungsbereichen gezahlt werden soll. "Wir wollen, dass alle Beschäftigten, für die wir derzeit bei der Deutschen Bahn Tarifverhandlungen führen, von einer Einmalzahlung profitieren, dazu gehört für uns auch der Dienstleistungsbereich", machte Regina Rusch-Ziemba deutlich.

Die Gewerkschaft fordert sechs Prozent mehr Lohn, mindestens jedoch 150 Euro mehr im Monat. Sie verhandelt am 14. Januar erneut mit der Bahn. Nur bis dahin hat sie Streiks ausgeschlossen.

(RP)
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