Berlin Ein Stern, der Schaden nimmt

Berlin · Auch Daimler soll Abgaswerte älterer Diesel-Fahrzeuge manipuliert haben. Der Konzern wehrt sich gegen die Vorwürfe.

Nach VW, Audi und Porsche ist auch Daimler tiefer in den Abgasskandal geraten. Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) nimmt jetzt zwei ältere Motorklassen unter die Lupe.

Wie lauten die konkreten Vorwürfe gegen Daimler? Knapp eine Million Diesel-Fahrzeuge der Stuttgarter könnten mit einer Software ausgestattet sein, die Abgaswerte manipuliert, hatten mehrere Medien in dieser Woche berichtet. Daimler bestreitet diese Vorwürfe: "Auf Basis der uns vorliegenden Informationen würden wir gegen den Vorwurf einer illegalen Abschalteinrichtung durch das Kraftfahrtbundesamt mit allen rechtlichen Mitteln vorgehen."

Welche Konsequenzen drohen Daimler? Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, könnte das KBA einen Rückruf der Fahrzeuge anordnen. Zudem könnten Anwälte, die für Kunden bereits juristisch gegen den VW-Konzern vorgehen, auch Klagen gegen Daimler einreichen. Dem Premiumhersteller drohen ein finanzieller und ein Image-Schaden. Was unternehmen die Aufsichtsbehörden? Der "Spiegel" berichtet, dass das Bundesverkehrsministerium und das KBA seit Wochen intensiv Diesel-Autos von Daimler überprüfen würden. Betroffen seien unter anderem die E- und die C-Klasse. Laut dem Bericht wurde Daimler-Vertretern bereits vom Ministerium bei einem Gespräch am Donnerstag angedroht, eine Rückrufaktion einzuleiten. Dem widerspricht Daimler: "Uns wurde im Gespräch nicht mit einer Rückrufaktion gedroht."

Warum haben deutsche Hersteller bei der Motorensoftware betrogen? Der Stickoxid-Ausstoß bei Diesel-Fahrzeugen lässt sich effektiv senken, indem man die Harnstofflösung AdBlue hinzufügt. Diese muss allerdings relativ häufig nachgefüllt werden. Dies ist lästig für die Kunden - könnte also beim Kauf gegen den Diesel sprechen. Weil die Hersteller den Diesel jedoch benötigen, um die europaweit vorgegebenen Grenzwerte für den Ausstoß von Kohlendioxid einzuhalten (denn das wird beim Diesel weniger ausgestoßen als beim Benziner), haben sie lieber die Software optimiert, statt größere AdBlue-Tanks einzubauen. Durch die Software werden aber die Stickoxid-Grenzwerte nur auf dem Labor-Prüfstand eingehalten, im realen Straßenbetrieb jedoch oft nicht. Die Hersteller berufen sich auf Ausnahmeregelungen.

Wie schädlich ist der Abgas-Skandal für die Wirtschaft? Die Dieseltechnologie ist in Verruf geraten. Das trifft alle deutschen Automarken empfindlich. Im ersten Halbjahr 2017 hatten Dieselautos in Deutschland nur noch einen Marktanteil von 41,3 Prozent, wie Zulassungszahlen zeigen. Im gleichen Zeitraum 2016 lag er noch bei 46,9 Prozent. Die Autoindustrie hat zwar "nur" einen Anteil von rund drei Prozent an der gesamten Wertschöpfung. Sie ist mit rund 750.000 Beschäftigten neben Maschinenbau und Chemie-Industrie aber der wichtigste industrielle Pfeiler.

Welche Vorwürfe werden gegen Verkehrsminister Dobrindt erhoben? Der CSU-Minister, so der Vorwurf der Opposition und von Umweltverbänden, behandelt die Hersteller mit Samthandschuhen, statt von Anfang an richtig durchzugreifen. In der von Dobrindt eingesetzten Untersuchungskommission sitzen nur Experten aus seinem Haus oder die der Industrie nahestehen.

Was kann beim Autogipfel am 2. August herauskommen? Da in vielen Großstädten die EU-Grenzwerte für Stickoxide überschritten werden, haben Gerichte Gegenmaßnahmen vorgeschrieben. Nun drohen Fahrverbote für ältere Diesel in Stuttgart, München oder Düsseldorf. Bund und Auto-Länder wollen das verhindern, indem sie die Industrie zur Umrüstung der betroffenen Dieselautos verpflichten wollen. Auf dem Autogipfel soll dafür ein bundesweit einheitliches Verfahren beschlossen werden. Die Regierung besteht darauf, dass die Umrüstung für die Kunden komplett kostenlos bleibt.

Ist der Kauf eines Diesels noch ratsam? Die Verbraucherzentrale Bundesverband rät derzeit davon ab - speziell in Städten. "Die Verbraucher sollten abwarten, wie sich die Politik positioniert", sagte Expertin Marion Jungbluth. Eine Forsa-Umfrage zeigte, dass sich aktuell nicht einmal mehr jeder Fünfte einen Diesel neu anschaffen würde.

(RP)
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