Düsseldorf Eine Kiste verändert die Welt

Düsseldorf · Heute vor 50 Jahren gelangte der erste in den USA verschiffte Container nach Europa. Es war der Beginn eines neuen Zeitalters. Kaum eine Erfindung hat die Art, wie wir leben, derart radikal verändert.

Wenn Anfang des 20. Jahrhunderts ein Schiff in einem Hafen anlegte und die Ladung gelöscht wurde, konnte das Tage, ja sogar eine Woche dauern. Mühsam mussten die Hafenarbeiter - oft nur mit Hilfe ihrer Muskelkraft - Säcke, Ballen, Kisten und Fässer auf Lastwagen hieven. Eine Prozedur, die mitunter länger dauerte als die vorangegangene Schifffahrt selbst.

Malcolm P. McLean, ein amerikanischer Speditionsunternehmer, beobachtete 1937 im Hafen von Hoboken genau eine solche Szene. Sie sollte der Auslöser für eine der größten Revolutionen im Bereich der Logistik werden. Denn McLean kam die Idee, warum nicht gleich den kompletten Lkw auf das Schiff laden oder den Anhänger oder zumindest den Aufbau? Es war die Geburtsstunde des Containers. McLeans Pläne wurden zunächst vom Zweiten Weltkrieg in den Hintergrund gedrängt. Erst am 26. April 1956 nahm das Projekt wieder Fahrt auf: Im Hafen von Newark lag ein Boot vor Anker, die "Ideal X", ein T2-Tanker, mit dem Flugzeuge und Treibstoff während des Kriegs nach Europa transportiert worden waren. McLean hatte die "Ideal X" umgerüstet. Nun ließ der Speditionsunternehmer unter den Augen einiger Lokalpolitiker 58 Blechboxen von Lkw-Anhängern direkt auf das Schiff verladen, das diese wiederum nach Houston (Texas) transportierte. Noch beschränkten sich die Routen nur auf die USA, weshalb die Geburtsstunde des Container-Zeitalters erst zehn Jahre später stattfand: Am 3. Mai 1966 landete das Vollcontainer-Schiff "Fairland" von McLeans Reederei Sea-Land Inc. mit 236 Containern an Bord in Rotterdam. Drei Tage später steuerte die "Fairland" mit den übrigen 110 Containern den Bremer Hafen an.

Erst zögerlich setzten die genormten Kisten zu ihrem Siegeszug an: Die erste deutsche Containerbrücke kam aus den USA, kostete eine Million Dollar und stand im Neustädter Hafen, dem 1968 in Betrieb genommenen ersten Containerhafen in Bremen. Das Maß aller Dinge wurde nach zähem Ringen ab 1964 der 20-Fuß-Container - "Twenty foot Equivalent Unit" (TEU): 6,06 Meter lang, 2,44 Meter breit und 2,6 Meter hoch mit einem festgelegten Maximalgewicht von 24 Tonnen. Deutlich häufiger im Einsatz sind inzwischen doppelt so lange Container, Fachleute sprechen von Zwei TEU. Diese fassen bis zu 30,5 Tonnen Ladung.

Der zunehmende Containerverkehr markiert den Beginn der Globalisierung. Schiffe brachten immer günstigere Konsumgüter aus Asien nach Europa. Zunächst Haushaltsgeräte, Motorräder, Kameras und Spielsachen aus Japan, dann Unterhaltungselektronik aus Korea, Kleidung aus Pakistan, Mobiltelefone aus China. Dank Container mit Kühlanlagen schaffen es exotische Früchte und Fleisch aus Südamerika in die deutschen Supermarkt-Regale. Die Transportkosten für eine Flasche Wein aus Kalifornien liegen heute dank der standardisierten Kisten bei wenigen Cent. Auch die Industrie profitier. Bei Zulieferern und Kunden ist sie nicht mehr vorrangig auf den heimischen Markt angewiesen. Dafür sind fast 41.760 größere Handelsschiffe weltweit registriert, davon mehr als 5000 Containerschiffe. Sie transportieren jährlich rund 129 Millionen TEU.

Beschränkungen, die es noch bis in die 80er-Jahre gab - etwa wegen der Limitierungen des Panama-Kanals -, sind inzwischen Bedeutungslos geworden. Heute sind 400 Meter lange Kolosse auf den Meeren unterwegs, die bis zu 19.000 TEU an Ladung aufnehmen können.

Doch Container spielen nicht nur für die Überseelogistik eine Rolle: "Als ich vor 18 Jahren hier in Duisburg angefangen habe, wurden gerade einmal sechs Prozent der Waren bei uns per Container transportiert", erinnert sich Erich Staake, Chef des Duisburger Hafens. "Heute sind es 56 Prozent." In den vergangenen sieben Jahren habe sich die Zahl der im Duisport umgeschlagenen Container von 1,8 Millionen auf 3,6 Millionen verdoppelt. "Es gibt so gut wie nichts, was sich nicht mit ihnen transportieren lässt." Fachleute sprechen in diesem Zusammenhang von einem Containerisierungsgrad der Waren und Güter. Staake zufolge habe dieser vor 20 Jahren gerade einmal bei 50 Prozent aller Waren gelegen, heute betrage er schon mehr als 90 Prozent. Selbst Baumstämme und Kokskohleladungen werden per Container verschifft. "Erst kürzlich haben wir in entsprechenden Spezialcontainern komplett gefertigte Premiumfahrzeuge per Zug von Duisburg nach China transportiert", sagt Staake.

Die Digitalisierung hat dem Thema noch einen ordentlichen Schub beschert, der auch in den kommenden Jahren noch anhalten wird. "Wegen der eng verzahnten Lieferketten setzt der Kunden heute voraus, dass er zu jeder Zeit weiß, wo sich seine Ware befindet", sagt Staake. Per RFID-Chip am Container sei das längst kein Problem mehr. "Und auch unsere Kräne, Transportfahrzeuge und Züge sind inzwischen vollständig vernetzt und kommunizieren miteinander. Wer sich jetzt noch gegen die Digitalisierung im Containerwesen sträubt, der wird sich nicht mehr lange am Markt behaupten können."

(maxi)
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