Brüssel Eine Überholspur für das Internet

Brüssel · EU-Kommission: Konzerne dürfen mehr Geld für Extra-Dienste nehmen.

EU-Kommissarin Neelie Kroes inszeniert sich gerne als Vorkämpferin für Verbraucherrechte in der digitalen Welt. 200 Millionen Europäer haben nach ihren Angaben derzeit keinen vollen Zugang zu Gratis-Kommunikationsdiensten wie Skype oder Whatsapp, weil Telekommunikations-Anbieter sie blockieren oder verlangsamen. Dies soll ein Ende haben. Heute stellt sie ihre umstrittene Reform des Telekommarktes vor, gegen die nicht nur die Branchenriesen Sturm laufen. Umstrittenster Punkt ist die gesetzlich garantierte Netzneutralität, sprich die Gleichbehandlung von Online-Inhalten durch Service-Provider – ganz gleich welchen Inhalts oder welcher Herkunft. "Das Blockieren und Drosseln von Internetinhalten soll verboten werden", kündigte die Kommissarin an. Das bedeutet: Kunden müssen das bekommen, wofür sie bezahlen.

De facto dürfen Deutsche Telekom und Co. ihre Angebote aber sehr wohl differenzieren. "Abonnements mit unterschiedlichen Internetgeschwindigkeiten oder Datenvolumen bleiben möglich", sagte Kroes. Das bedeutet: Die schnelle Datenautobahn bekommt eine kostenpflichtige Überholspur. Die Kommissarin hält das für nötig, um Innovationen und Netzausbau nicht auszubremsen. Schließlich gebe es auch bei der Post Spezialdienste wie Express-Sendungen, argumentiert die Niederländerin. "Spezialdienste" wie Video-on-Demand, virtuelle Operationssäle und datenintensive Cloud-Anwendungen bräuchten eben eine besonders hohe zugesicherte Dienstqualität.

Netzaktivisten und Europa-Abgeordnete kritisieren die Pläne jedoch scharf. "Mit ihnen wird die Ungleichbehandlung von Datenpaketen im Netz legalisiert", sagt Philipp Albrecht, Netzexperte der Grünen im Parlament. "Vorstöße wie die der Deutschen Telekom, mit bestimmten Diensten eine bevorzugte Durchleitung auf Kosten der anderen Internetanbieter und -nutzer zu vereinbaren, wären durch diese Verordnung ausdrücklich erlaubt." Die SPD-Abgeordnete Petra Kammerevert sieht den Weg zu einem "Zwei-Klassen-Internet" geebnet.

Entlastungen für Verbraucher will Kroes beim Telefonieren erreichen. Festnetzanrufe aus der Heimat in ein anderes EU-Land dürfen künftig nicht mehr als ein Ferngespräch im eigenen Land kosten. Verbraucher sollen außerdem leichter den Telefonanbieter wechseln können. Sie haben Anspruch auf einen Vertrag, der nur zwölf Monate läuft. Zudem möchte die EU Extra-Gebühren für die Nutzung von Handys im Ausland (Roaming) abschaffen.

(RP)
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