Berlin Einigung auf Reform der Erbschaftsteuer

Berlin · Mit Ach und Krach haben Bund und Länder einen Kompromiss bei der Erbschaftsteuer gefunden. Er macht vor allem das Vererben großer Betriebsvermögen teurer, schont aber weiterhin die kleinen und mittleren Unternehmen.

Berlin: Einigung auf Reform der Erbschaftsteuer
Foto: dpa, Weber

In einer siebenstündigen Sitzung, die bis zum frühen Morgen dauerte, haben sich Bund und Länder im Vermittlungsausschuss auf eine Reform der Erbschaftsteuer verständigt. Ein Scheitern von Bundesrat und Bundestag wäre die "größte Blamage" der Politik und eine "Respektlosigkeit" gegenüber dem Bundesverfassungsgericht, sagte der Vorsitzende des Vermittlungsausschusses, Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD).

Warum müssen Bund und Länder die Erbschaftsteuer reformieren?

Das Bundesverfassungsgericht hatte 2014 die Verschonung von Firmenerben bei der Erbschaftsteuer als zu weitreichend erklärt. Damit scheiterte ein Erbschaftsteuergesetz zum vierten Mal in Karlsruhe. Die Richter gaben dem Gesetzgeber auf, bis Juni 2016 die Erbschaftsteuer zu reformieren. Der Zeitpunkt ist lange überschritten. Daraufhin kündigte das Verfassungsgericht an, selbst aktiv zu werden. Es könnte die bestehenden Verschonungsregeln außer Kraft setzen oder ein neues Ultimatum stellen. Ende des Monats wollten sich die Richter äußern, das hat den Druck auf die Verhandlungen deutlich erhöht.

Was ändert sich für die Betriebe?

Auch in Zukunft kann ein Unternehmen steuerfrei an die nächste Generation weitergegeben werden. Voraussetzung: Für einen vollständigen Erlass der Steuerschuld muss der Betrieb sieben Jahren fortgeführt und die an Arbeitnehmer gezahlte Lohnsumme muss erhalten bleiben. Bislang waren alle Betriebe bis zu 20 Angestellten von der Regelung ausgenommen. Künftig soll diese Grenze bei fünf Beschäftigten liegen. Liegt das vererbte Betriebsvermögen über 26 Millionen Euro, muss der Erbe einen Teil der Steuerschuld entweder aus seinem Privatvermögen oder über ein Abschlag-System begleichen. Ab 90 Millionen Euro wird kein Rabatt mehr gewährt.

Wie stehen Familienunternehmen künftig da?

Über die Frage, was eigentlich ein Familienunternehmen ausmacht, ist bis zum Schluss gerungen worden. Als solches gelten künftig Betriebe, in deren Gesellschaftervertrag festgehalten ist, dass ihre Gesellschafter nicht mehr als 37,5 Prozent des Gewinns nach Steuern entnehmen dürfen. Zudem muss der Gesellschaftervertrag bestimmen, dass Firmenanteile nur an Mitgesellschafter, Familienmitglieder oder eine Familienstiftung verkauft werden dürfen.

Was gilt als Betriebsvermögen?

Hier gibt es einige Änderungen: Das Verwaltungsvermögen darf künftig nicht mehr als 20 Prozent des Betriebsvermögens ausmachen. Kunstgegenstände, Oldtimer, Jachten, Schmuck und Güter, die als private Luxusgegenstände gelten, dürfen grundsätzlich nicht zum Betriebsvermögen gezählt werden. Rückstellungen für Altersvorsorge dürfen nur dann als Teil des Betriebsvermögens gerechnet werden, wenn diese Rückstellungen eines Tages auch ausbezahlt werden. Das neue Erbschaftsteuergesetz sieht zudem eine Klausel vor, die unverhältnismäßig hohe Geldsummen als Betriebsvermögen ausschließen.

Wie wird künftig der Wert eines Unternehmens berechnet?

Diese Frage war besonders umstritten, weil sich daran ja die Höhe der Steuerschuld bemisst. Ziel der Verhandler im Vermittlungsausschuss war es, ein Verfahren zu schaffen, das einen möglichst realistischen Verkaufswert eines Unternehmens ermittelt. Künftig soll der Ertragswert eines Unternehmens mit dem Kapitalisierungsfaktor 13,75 multipliziert werden, um den Unternehmenswert für die Erbschaftsteuer zu berechnen.

Wie reagiert die Wirtschaft auf den Kompromiss?

Die Fundamentalkritik an der neuen Erbschaftsteuer ist inzwischen abgeebbt. Die Verbände haben offenbar ihren Frieden mit dem Kompromiss gemacht. Für die Stiftung Familienunternehmen ist eine Phase der Rechtsunsicherheit beendet. Allerdings sieht Stiftungsvorstand Rainer Kirchdörfer die Steuerlast für viele größere Firmen deutlich steigen. Es sei auch nicht geklärt, ob am Ende das Bundesverfassungsgericht über das neue Gesetz erneut entscheide. "Die Einbeziehung von Privatvermögen zur Zahlung der betrieblichen Erbschaftsteuer könnte rechtlich erneut überprüft werden."

Der Verband der Industrie- und Handelskammern, der DIHK, begrüßte die Einigung. Jetzt könnten Familienunternehmen wieder investieren und einstellen, meinte DIHK-Präsident Eric Schweitzer. Kritik kommt vom Bundesverband der deutschen Industrie (BDI). Der Industrieverband befürchtet eine Belastung der eigentümer- und familiengeführten Unternehmen. "Die Koalitionsaussage, keine unnötigen Mehrbelastungen zu beschließen, wurde durch das Vermittlungsverfahren relativiert", sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Markus Kerber.

Wie viele Unternehmen betrifft die neue Erbschaftsteuer?

Nach Angaben des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung gibt es in Deutschland 2,7 Millionen aktive Unternehmen, davon sind etwa 2,6 Millionen familiengeführt. Von denen dürften in den kommenden vier Jahren 135.000 vererbt werden, in Nordrhein-Westfalen sind es 29.400. Oberhalb der Verschonungsgrenze von 26 Millionen Euro liegen überhaupt nur 10.600 aller familiengeführten Unternehmen. Die wären von einer steuerlichen Prüfung betroffen. Für das Bundesland Hamburg haben die Steuerbehörden herausgefunden, dass weniger als zehn Unternehmen unter die neue Erbschaftsteuer fallen würden.

(RP)
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