Wegweisendes Gerichtsurteil Eltern können auf Steuererstattung hoffen

Düsseldorf · Das Finanzgericht Niedersachsen hält die Kinderfreibeträge für falsch berechnet. Es legt die Klage einer Mutter nun dem Verfassungsgericht vor. Das Urteil kann Millionen Eltern nutzen, sagt der Bund der Steuerzahler.

Gerichtsurteil: Eltern können auf Steuererstattung hoffen
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Millionen Eltern können nach einem Beschluss des Finanzgerichts Niedersachsen auf eine Steuererstattung hoffen. Das Gericht hält Höhe und Berechnung der Kinderfreibeträge durch die Bundesregierung für verfassungswidrig. "Das Verfahren wird dem Verfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt", sagte Richterin Georgia Gascard und gab der Klägerin Reina Becker recht (Az. 8K2426/15). Die verwitwete Mutter von zwei Töchtern, die selbst Steuerberaterin ist, hatte gegen ihren Steuerbescheid geklagt. Der Staat habe den Kinderfreibetrag zu niedrig angesetzt, dadurch seien ihr mehrere hundert Euro an Steuervergünstigungen entgangen, so Becker.

Der Kinderfreibetrag sorgt dafür, dass ein bestimmter Teil des Einkommens von Eltern nicht besteuert wird, damit diese das Existenzminimum ihrer Kinder sichern können. Der Freibetrag wird regelmäßig mit dem Existenzminimum erhöht. Doch das hat der Fiskus 2014 einfach unterlassen: Laut Existenzminimumbericht hätte der Freibetrag auf 4440 Euro pro Kind und Jahr erhöht werden müssen. Weil man mit der Gesetzgebung aber schon spät dran war, hielt der Gesetzgeber einfach am Freibetrag des Vorjahres von 4368 Euro fest. Damit sei die Bundesregierung ihren eigenen Ankündigungen nicht nachgekommen, kritisierte das Gericht.

Eltern müssen nicht tätig werden

"Der Vorlagebeschluss des Finanzgerichts ist ein wichtiges Signal an den Gesetzgeber, Kinder im Steuerrecht ausreichend zu berücksichtigen. Es kann nicht sein, dass das Existenzminimum von Kindern nicht richtig freigestellt wird", sagte Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler, unserer Redaktion. Das höchstrichterliche Urteil wird sich auf alle Eltern auswirken - und sie müssen nichts dafür tun. "Eltern brauchen aktuell nichts zu veranlassen, die Finanzverwaltung hält die Steuerbescheide in diesem Punkt automatisch offen", sagt Holznagel. "Dies sichert ein Vorläufigkeitsvermerk ab, der sich im Kleingedruckten auf dem Steuerbescheid befindet."

Das bestätigt das Finanzministerium NRW: "Aktuell werden alle Veranlagungen bezüglich der Höhe der Kinderfreibeträge in Paragraf 32 Abs. 6 Einkommensteuergesetz von Amts wegen vorläufig durchgeführt", erklärte ein Sprecher. Es sei daher kein Einspruch der Bürger notwendig, um eine gegebenenfalls für sie günstige Entscheidung später berücksichtigen zu können.

Auch Kindergeldbezieher können profitieren

Auch die Bezieher von Kindergeld würden von einem entsprechenden Karlsruher Urteil profitieren - wenn auch nicht so stark. Der Fiskus prüft bei der Steuererklärung automatisch, was günstiger für Eltern ist. Fällt die Steuerersparnis durch den Freibetrag geringer aus als das Kindergeld, wird der Freibetrag nicht berücksichtigt und die Eltern erhalten Kindergeld. Bei der Berechnung von Soli und Kirchensteuer spielt der Freibetrag aber auch hier eine Rolle. Entsprechend winkt auch hier eine kleine Erstattung.

Damit nicht genug: Aus Sicht des Gerichts ist auch die Art und Weise, wie die Bundesregierung die Kinderfreibeträge berechnet, verfassungswidrig. Während die Sozialhilfe nach Alter gestaffelt wird und ältere Kinder mehr bekommen als jüngere, gilt das steuerliche Existenzminimum einheitlich für alle Kinder. Diese Ungleichbehandlung verstößt aus Sicht der Richter gegen den Gleichheitsgrundsatz. Zumal die Regelung dazu führt, dass der Fiskus für volljährige Kinder in Ausbildung oder Studium einen geringeren Betrag steuerfrei stellt als für volljährige Kinder, die gleich nach der Schule in Hartz IV wechseln.

(anh)
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