Karlsruhe EnBW will Prokon übernehmen

Karlsruhe · 550 Millionen Euro bietet der Energieversorger für die insolvente Windenergie-Firma. Die Gläubiger stehen nun vor einer schwierigen Entscheidung: Nehmen sie das Geld oder gehen sie selbst ins unternehmerische Risiko?

Die Gläubiger des insolventen Windpark-Betreibers Prokon haben im Juli die Wahl zwischen dem Spatz in der Hand und der Taube auf dem Dach: Gestern hatte der Energieversorger EnBW angekündigt, die insolvente Windkraft-Firma für 550 Millionen Euro übernehmen zu wollen - in bar. Parallel dazu besteht jedoch auch die Möglichkeit für die Gläubiger, das Unternehmen als Genossenschaft fortzuführen. In diesem Fall müssten die Mitglieder der noch zu gründenden Genossenschaft allerdings auf eine Bar-Ausschüttung verzichten und neue Risiken eingehen.

Trotzdem könnte der Schritt letztlich lukrativer sein, denn das EnBW-Angebot liegt 100 Millionen Euro unter dem Wert, der dem Genossenschaftsmodell zugrunde gelegt wird. Unterm Strich würden die Anleger und Gläubiger aber mit der EnBW besser fahren, versicherte der Finanzvorstand des baden-württembergischen Energiekonzerns, Thomas Kusterer, gestern Nachmittag in einer Telefonkonferenz. "Unser Angebot macht Prokon zukunftssicher. Das Unternehmen wird handlungsfähig, wir schaffen die Voraussetzungen für einen soliden Neuanfang."

Der Gläubigerausschuss des Unternehmens in Itzehoe (Schleswig-Holstein) hat EnBW zwar als "bevorzugten Investor" ausgewählt. Die endgültige Entscheidung, ob der drittgrößte deutsche Energiekonzern neuer Prokon-Inhaber wird, fällt jedoch erst auf der Gläubigerversammlung am 2. Juli.

Dann müssen die rund 100 000 Gläubiger entscheiden, ob sie als Eigentümer die Prokon-Windparks im Rahmen einer Genossenschaft fortführen oder das Vermögen an die EnBW verkaufen wollen. Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin hat zu beiden Modellen Pläne vorgelegt.

Die Insolvenz sei für die Gläubiger "eine bittere Tatsache, weil sie in jedem Fall mehr als 40 Prozent ihres eingesetzten Kapitals verlieren werden", sagte Kusterer. Pro 10 000 Euro eingesetztes Kapital würde ein Gläubiger 5220 Euro zurückbekommen. Der Verlust sei "unabänderlich", egal, für welches Modell sich die Gläubiger entscheiden. Der Verein "Freunde von Prokon" rechnete jedoch vor, dass der Verlust beim Genossenschaftsmodell 670 Euro geringer sei. Der Verein hat das Genossenschaftsmodell initiiert. In ihm hat sich ein Teil der rund 75 000 Zeichner von Genussrechten zusammengeschlossen, bei denen Prokon vor der Pleite 1,4 Milliarden Euro eingesammelt hatte.

Beim EnBW-Angebot, das laut Kusterer "unser letztes Wort" ist, würden aber alle Gläubigergruppen "risikofrei und zeitnah eine substanzielle Barzahlung" erhalten. Beim Genossenschaftsmodell erhielte hingegen "nur ein kleiner Teil der Gläubiger" wie Lieferanten und Banken eine sofortige Barauszahlung. Genussrechtsinhaber, die 90 Prozent aller Forderungen halten, müssten dagegen eine Anleihe zeichnen und - wenn sie sich für eine Mitgliedschaft in der Genossenschaft entscheiden - ein unternehmerisches Risiko eingehen.

Aus Sicht von Kusterer ergänzen sich EnBW und Prokon perfekt, "um die Windkraft in Deutschland solide und gut finanziert weiter zu entwickeln". Der Energiekonzern ist dabei, sich von der Atomkraft auf erneuerbare Energien umzustellen und will Marktführer für Windparks werden. Bis 2020 hat EnBW für den Ausbau der Erneuerbaren Energien rund 3,5 Milliarden Euro für Investitionen vorgesehen. Den Erwerb von Prokon will EnBW ausschließlich mit eigenen Mitteln finanzieren. "Wir können das aus unserer Liquidität finanzieren und müsse nicht auf den Kapitalmarkt gehen." Die Genussrechtsinhaber müssten abwägen, ob "ein schuldenbeladenes Unternehmen ohne starken Partner wirklich bessere Chancen auf eine erfolgreiche Zukunft hat".

(dpa/rtr)
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