Fragen und Antworten zum Atomausstieg Konzerne: Staat soll Atommeiler übernehmen

Berlin · Eine Stiftung soll für Betrieb und Abriss der Meiler verantwortlich sein. Im Gegenzug wollen Eon, RWE und EnBW ihre Rückstellungen einbringen. Die Gewerkschaft nennt den Vorschlag "prüfenswert". Umweltminister lehnen ihn ab.

Die NRW-Atomanlagen
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Foto: dapd

Die Energiekonzerne Eon, RWE und EnBW suchen nach neuen Wegen, um sich von Milliarden-Lasten zu befreien. Sie möchten laut "Spiegel" ihre Atomkraftwerke in eine öffentlich-rechtliche Stiftung einbringen, die dem Bund gehören soll. Die Stiftung soll die Meiler bis zum Ausstieg betreiben, den Abriss organisieren und für die Lagerung der radioaktiven Abfälle verantwortlich sein. Mit dieser "Bad Bank für Meiler" soll der Bund alle Risiken der Atomwirtschaft übernehmen. Die Konzerne hätten der Bundesregierung ihre Pläne bereits erläutert, heißt es. Die Konzerne lehnten eine Stellungnahme ab.

Was treibt die Konzerne?

Seit die schwarz-gelbe Bundesregierung einst den vorzeitiges Ausstieg aus der Atomkraft bis 2022 beschlossen hat und die Großhandelspreise für Strom infolge des Ökostroms-Boom um ein Drittel gefallen sind, sind Atomkraftwerke keine Gewinnmaschinen mehr. Zugleich sind die Folgekosten für Abriss und Zwischenlagerung des radioaktiven Mülls hoch. Das macht es reizvoll, die wirtschaftlich riskanten und politisch ungeliebten Meiler nun dem Staat und damit letztlich dem Steuerzahler zuzuschieben.

Was bieten die Konzerne dem Staat als Gegenleistung?

Im Gegenzug bieten die Konzerne offenbar an, ihre für die Meiler gebildeten Rückstellungen über 30 Milliarden Euro in die Stiftung einzubringen. Eon hat 14 Milliarden an Rückstellungen gebildet, RWE zehn Milliarden. Zudem sollen die Konzerne signalisiert haben, dass sie im Gegenzug Klagen gegen den Staat fallen lassen könnten. Unter anderem gehen sie gegen die sofortige Abschaltung von einigen Meilern nach dem Unglück von Fukushima sowie gegen die Brennelemente-Steuer vor. In den diversen Klagen geht es insgesamt um einen zweistelligen Milliarden-Betrag.

Wie reagiert die Politik?

Die für die Endlagerung zuständige Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hält nichts von den Plänen. "Die uneingeschränkte Verantwortung für Stilllegung und Zwischenlagerung des Atommülls liegt bei den Energieunternehmen. Diese haben sämtliche Kosten der Stilllegung, des Rückbaus sowie der Endlagerung zu tragen." Aus dem Ministerium hieß es zudem, Gespräche über eine solche Stiftung habe es bisher nicht gegeben.

Woher kommt die Idee?

Womöglich von der Politik selbst. In einem ersten Entwurf des schwarz-roten Koalitionsvertrages hatte zwischenzeitig auf Anregung von Umweltschützern ein Passus gestanden, wonach ein öffentlicher Fonds "zur Sicherstellung der Finanzierung der nuklearen Entsorgung" geschaffen werden soll, in den die Konzerne ihre Rückstellungen überweisen. Damit sollten die Milliarden in die Obhut des Staates gebracht werden, damit sie im Fall der Krise oder Pleite eines Konzerns nicht verloren sind.

Was sagen Gewerkschaften und Ökonomen?

Der Chef der Energie-Gewerkschaft IG BCE, Michael Vassiliadis, sagte unserer Zeitung: "Das ist ein prüfenswerter Vorschlag. Es ist eine schlüssige Überlegung, die Frage von Rückbau und Sicherheit der Atomkraftwerke nicht ausschließlich von denen beantworten zu lassen, die kein eigenes Interesse mehr daran haben." Vassiliadis selbst hatte vor einigen Wochen vorgeschlagen, dass die Konzerne ihre Steinkohlekraftwerke in eine nationale Verstromungsgesellschaft einbringen, die für Betrieb und Abwicklung dieser Kraftwerke zuständig ist.

Justus Haucap, Düsseldorfer Ökonom und Mitglied der Monopolkommission, zeigt sich offen. "Die Konzerne versuchen sich natürlich, des Risikos zu entledigen. Allerdings ist ein Großteil des Risikos auch kein unternehmerisches Risiko, sondern ein politisches. Daher verstehe ich den Vorschlag durchaus", sagte Haucap auf Anfrage. "Letzten Endes ist es ohnehin unrealistisch, dass die Kosten der Endlagerung in ein paar hundert Jahren noch von diesen Konzernen getragen werden, falls sie dann überhaupt noch existieren."

Was sagen Kritiker?

Schleswig-Holsteins Energieminister Robert Habeck (Grüne) lehnte den Plan ab: "Die Industrie hat sich an der Atomenergie eine goldene Nase verdient. Nun der Gesellschaft die Kosten für die Entsorgung aufbürden zu wollen, ist schäbig."

(RP)
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