Verhandlung am Verfassungsgericht Erbmasse in Deutschland kleiner als vermutet

Berlin · Am Dienstag verhandelt das Verfassungsgericht über die Erbschaftsteuer. Allerdings: Die Summe, um die es dabei geht, ist deutlich kleiner als bislang angenommen.

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Foto: gms

Vor der mündlichen Verhandlung über die Erbschaftsteuer heute vor dem Bundesverfassungsgericht haben Wirtschaftsforscher bisherige Annahmen über das jährliche Erbschafts- und Schenkungsvolumen deutlich nach unten korrigiert. Im Jahr 2010 seien nur etwa Erbschaften und Schenkungen im Wert von 62 Milliarden Euro übertragen worden, heißt es in einem Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) für die Grünen-Bundestagsfraktion. Andere Schätzungen - etwa im Auftrag der Postbank - waren bisher stets von mindestens 200 Milliarden Euro ausgegangen, die jedes Jahr an Hinterbliebene übertragen werden.

Das DIW verfügt über eine einzigartige sozio-ökonomische Datenbank. Zudem lagen ihm Daten aus allen 16 Bundesländern vor, die für die Erbschaftsteuer zuständig sind. Das Institut erklärte den erheblichen Unterschied zu den bisherigen Schätzungen unter anderem damit, dass die Lebenserwartung gestiegen sei und Menschen im Alter ihr Vermögen zunehmend für den eigenen Konsum und ihre Pflege aufzehren.

Das geringere Erbschaftsvolumen dämpft die Reformhoffungen derer, die wie die Grünen künftig aus der Erbschaftsteuer höhere Einnahmen erzielen möchten. Derzeit liegt das jährliche Aufkommen der Steuer bei etwa fünf Milliarden Euro - das ist weniger als ein Prozent des gesamten jährlichen Steueraufkommens.

Die Grünen streben eine Verdoppelung an, um mehr in Bildung und Infrastruktur investieren zu können. Dies sei angesichts des geringen Erbschaftsvolumens nur möglich, wenn die Freibeträge für Verwandte und Eheleute deutlich verringert würden - oder der Steuertarif für höhere Erbschaften erheblich angehoben und Vergünstigungen für Betriebe abgebaut würden, erklärten die Grünen-Politikerinnen Lisa Paus und Kerstin Andreae.

Um die besonderen Vergünstigungen von Betriebsvermögen geht es heute auch in der mit Spannung erwarteten Verhandlung. Der Bundesfinanzhof hatte die Überprüfung der Reform von 2009 durch die Karlsruher Richter beantragt. Er selbst hatte im September 2012 die "Überprivilegierung" von Betriebsvermögen moniert. Erben von Betriebsvermögen können steuerfrei bleiben, wenn sie den Betrieb sieben Jahre weiterführen und Arbeitsplätze erhalten. Allerdings sind Betriebe mit weniger als 20 Mitarbeitern von der Vorschrift ausgenommen, Jobs erhalten zu müssen. Der Finanzhof hatte darauf verwiesen, dass über 90 Prozent aller Betriebe weniger als 20 Mitarbeiter haben.

Die Vergünstigung der Betriebsvermögen hat nach Daten des Bundesfinanzministeriums seit 2009 zu Mindereinnahmen von 19,1 Milliarden Euro geführt. Das Ministerium hatte bei der Reform nur mit Mindereinnahmen von 6,7 Milliarden gerechnet. "Wir haben hier eines der größten Steuerschlupflöcher überhaupt", sagte Grünen-Politikerin Paus. Privates Vermögen werde zunehmend in Betriebsvermögen umgewandelt. Auch Fachkreise rechnen damit, dass die Richter in ihrem im Herbst erwarteten Urteil eine Korrektur der Reform verlangen.

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