Brüssel EU sagt Steuerdeals den Kampf an

Brüssel · Kommissarin Margrethe Vestager macht ernst: Amazon muss in Luxemburg 250 Millionen Euro Steuern nachzahlen. Und die EU klagt gegen Irland, weil es sich weigert, Steuern von Apple einzutreiben.

Die Zeiten großer Steuerdeals für Großkonzerne sind in der Europäischen Union vorbei. Die EU-Kommission stufte gestern Vergünstigungen, die Luxemburg dem Online-Versandhändler Amazon gewährt hat, als wettbewerbswidrig ein. Luxemburg soll nun Nachzahlungen in Höhe von rund 250 Millionen Euro zuzüglich Zinsen von Amazon verlangen. Das sagte gestern EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager - und kündigte zugleich juristische Schritte gegen Irland vor dem Europäischen Gerichtshof an. Grund ist die anhaltende Weigerung von Irland, von Apple bis zu 13 Milliarden Euro plus Zinsen zurückzufordern. Auch Apple soll von einem wettbewerbswidrigen Steuerdeal profitiert haben.

Die Beamten von Vestager werfen Amazon vor, acht Jahre lang mit Hilfe einer steuerlichen Konstruktion drei Viertel der Gewinne aus dem EU-weiten Versandhandel am Fiskus vorbei aus der EU geschafft zu haben. Hintergrund der Entscheidung ist, dass Vestager Luxemburg anlastet, dem Internet-Konzern eine unzulässige Staatsbeihilfe im Rahmen eines so genannten Steuervorbescheides gewährt zu haben.

Pikant an dem Fall ist, dass der umstrittene Steuervorbescheid Amazon in einer Zeit gewährt wurde, als der heutige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Ministerpräsident und Finanzminister des Großherzogtums war. Kritiker werfen Juncker vor, in dieser Zeit Steuervermeidung zumindest geduldet zu haben. Dieser bestreitet aber jede Verantwortung.

Vestager sagte: "Luxemburg hat Amazon illegale Steuergewinne zugeschanzt." Amazon sei es erlaubt worden, vier Mal weniger Steuer zu zahlen als ortsansässige Unternehmen. "Dies ist illegal nach den Beihilferegeln der EU." EU-Mitgliedsländer dürften weltweit operierenden Unternehmen nicht Steuervorteile einräumen, die anderen Unternehmen verwehrt blieben.

Die EU-Beamten hatten ihre Recherchen 2014 begonnen. Dabei entlarvten sie die Konstruktion, die die Steuervermeidung im großen Stil möglich gemacht hat. Dazu muss man wissen: Amazon hat seine Geschäftsbedingungen so formuliert, dass jeder Online-Deal, den ein Kunde in einem EU-Land abschließt, vertragsrechtlich in Luxemburg zu Stande kommt. Auf diese Art und Weise wickelt der Konzern alle Geschäfte in der EU in dem Großherzogtum ab und erwirtschaftet auch nur dort die Gewinne.

Auf dem Papier wurde behauptet, dass die Amazon-Gesellschaft in Luxemburg die Gewinne an die Holding abführt, um Lizenzgebühren und andere Verrechnungspreise der Amazon-Mutter abzugelten. Doch die Beamten von Vestager fanden heraus: Diese Zahlungen machten 90 Prozent des gesamten Gewinns von Amazon EU aus. "In der Summe waren sie anderthalb Mal so hoch wie die Beträge, die die Holding an die US-Partner entrichten musste."

Amazon hat seine Steuerpraxis mittlerweile geändert. Seit 2015 versteuert der Internet-Riese seine Erträge in einzelnen europäischen Ländern - darunter Deutschland und Italien.

Vestager fordert Luxemburg nun auf, die dem Fiskus vorenthaltenen Steuern in Höhe von 250 Millionen Euro plus Zinsen bei Amazon einzutreiben. Ob Luxemburg der Aufforderung nachkommt, bleibt abzuwarten: Luxemburg bestreitet, dass die steuerlichen Privilegien Amazon zu Unrecht gewährt wurden.

Eine Weigerung bliebe nicht folgenlos. So hat die Kommission jetzt auch beschlossen, Irland wegen eines ähnlich gelagerten Falls vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen. Vestager hatte die Regierung in Dublin schon im vergangenen August dazu aufgefordert, ebenfalls wegen illegaler Staatsbeihilfen für den Internetkonzern Apple 13 Milliarden Euro an Steuern nachzufordern. Die Kommissarin aus Dänemark rügt nun die Untätigkeit der irischen Regierung: "Mehr als ein Jahr ist seit dem Beschluss der Kommission vergangen, Irland hat das Geld immer noch nicht erhalten, nicht einmal Teile davon." Aus Sicht der EU-Kommission hat Irland den Körperschafts-Steuersatz für Apple im Jahr 2014 auf 0,005 Prozent gesenkt.

(RP)
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