Wolfsburg EU warnt vor Schäden bei VW-Nachrüstung

Wolfsburg · Bei Fahrzeugen, die vom Diesel-Skandal betroffen sind, könnte es trotz Werkstattbesuchs langfristig zu Problemen kommen.

Am Anfang hatte man sich das alles so schön gedacht bei Volkswagen: Abgasskandal - ok, ärgerliche Sache, aber das kriegen wir in den Griff und dann geht's mit Vollgas in die Zukunft. Bis Ende des Jahres wollte man die vielen betroffenen Diesel-Fahrzeuge nachrüsten. Doch dann verzögerten sich die Freigaben durch das Kraftfahrtbundesamt und seitdem plätschert der Rückruf so vor sich hin. Bislang hat der Konzern erst für 60 Prozent der rund 8,5 Millionen in Europa betroffenen Fahrzeuge einen Rückruf genehmigt bekommen - und nur ein Bruchteil wurde nachgerüstet.

Und nun könnte es für VW sogar noch schlimmer kommen, denn die EU-Kommission warnt vor möglichen Langzeitfolgen für die Dieselfahrzeuge, die bislang umgerüstet wurden. "Man kann davon ausgehen, dass durch die neue Steuerungssoftware Komponenten stärker beansprucht werden", sagte ein Mitarbeiter der EU-Kommission dem "Spiegel". Die Beamten stützten sich dabei auf Aussagen eigener Fachleute im "Vela"-Abgaslabor in Norditalien, berichtet das Magazin. Dies sei eine führende Einrichtung.

Der Verdacht: Das Abgasrückführventil, der Speicherkatalysator, das Harnstoff-Injektionssystem, der sogenannte SCR-Katalysator oder auch der Partikelfilter könnten vorzeitig versagen. Was sich hinter all diesen Bezeichnungen verbirgt, verstehen wohl nur die Techniker, klar ist jedoch: Sollten die Vorwürfe stimmen, verbirgt sich dahinter für VW ein Riesenproblem. Ob man beim Kraftfahrtbundesamt ähnliche Ergebnisse festgestellt hat, ist unklar. Die Behörde antwortete nicht auf eine Anfrage.

Ein VW-Sprecher bekräftigte zwar: "Es gilt nach wie vor, dass das Software-Update keine nachteiligen Einflüsse auf den Verbrauch oder die Dauerhaltbarkeit des Motors und seiner Komponenten haben wird." Doch ADAC-Fahrzeugtechniker Martin Ruhdorfer mutmaßt: "Wir müssen davon ausgehen, dass selbst Volkswagen die Langzeitfolgen seiner Umstellungen nicht kennt". Kein Wunder, dass VW sich bislang weigert, eine eindeutige Garantieerklärung vor möglichen Langzeitschäden abzugeben.

Das musste auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) feststellen. Deren Chef Klaus Müller traf sich gestern mit VW-Cheflobbyist Thomas Steg, dem früheren Sprecher von Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD). Es sei ein freundliches und konstruktives Gespräch gewesen, heißt es. Mehr als ein paar warme Worte hatte Steg jedoch nicht für die Verbraucherschützer. "Wir sind enttäuscht, weil sich Volkswagen weiterhin nicht auf eine Garantie einlassen will und uns diesbezüglich kein Stück entgegengekommen ist", sagt Marion Jungbluth vom VZBV.

Für den stockenden Rückruf habe Steg in dem Gespräch das Kraftfahrtbundesamt verantwortlich gemacht. Angeblich verzögere sich die Freigabe, weil die Behörde nicht genügend Prüfstände zur Verfügung hat. "Laut VW sollen bis Ende des Jahres alle Kunden einen Brief wegen des Rückrufs erhalten", sagt Jungbluth. Eigentlich hieß es zuletzt, alle Kunden sollten bis November eine Rückmeldung von VW bekommen haben. Doch dass sich der Zeitplan beim Rückruf immer wieder verschiebt, hatten Kunden schon in den vergangenen Monaten feststellen müssen. Der EU-Kommission hat VW offenbar versprochen, alle betroffenen Fahrzeuge bis Herbst 2017 nachzurüsten.

Viele Kunden wollen so lange nicht warten und haben ihre Autohäuser verklagt, weil sie sich getäuscht fühlen und ihre Fahrzeuge daher zurückgeben wollen. Diese Händler sind das Bollwerk zwischen Kunde und VW-Konzern. In erster Instanz gab es inzwischen einige Urteile - mal zugunsten von Volkswagen, mal nicht. Erste Anwälte wollen bereits eine Tendenzverschiebung zugunsten der Kunden ausmachen, doch Branchenkenner sind skeptisch. Dafür sei es eigentlich noch zu früh. Der VZBV rät: "Wer im Kontakt mit seinem Autohaus unzufrieden ist oder rechtliche Fragen hat, kann sich an die Verbraucherzentrale wenden."

(frin)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort