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Düsseldorf "Euro-Staaten müssen pleitegehen können"

Düsseldorf · Bundesbank-Präsident Jens Weidmann stellte sich den Fragen der Leser und sagte, was der neue EZB-Präsident mitbringen muss.

Seit Jahren leiden die Sparer in der Euro-Zone unter den niedrigen Zinsen. Diese machen das Sparbuch so unattraktiv wie die Lebensversicherung. Wegen der billigen Kredite explodieren in manchen Regionen zugleich die Immobilienpreise. Zu den Folgen und Aussichten befragten gestern Chefredakteur Michael Bröcker und Leser der Rheinischen Post Bundesbank-Präsident Jens Weidmann.

Inflation Im Februar lag die Inflation im Euro-Raum erstmals seit langer Zeit wieder bei zwei Prozent und damit leicht über der Zielmarke von knapp unter zwei Prozent, die sich die Europäische Zentralbank (EZB) gesetzt hat. Zuvor hatte sie lange Zeit deutlich darunter gelegen. Nun werden in Deutschland die Rufe lauter, die EZB möge ihre ultralockere Geldpolitik beenden. Dazu sagte Weidmann: "Die Inflationsrate wird nicht so hoch bleiben. Der Anstieg der Energiepreise wird sich wieder rauswaschen." Zudem wolle die EZB einen nachhaltigen Anstieg der Inflationsrate sehen, bevor sie die Zinsen wieder anhebe.

Zinspolitik und Anleihenkäufe Der Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken Geld bei der EZB leihen können, liegt seit März 2016 bei null Prozent. Zudem verlangt die EZB von Banken, die bei ihr Geld parken, einen Negativzins von 0,4 Prozent. Lesern, die um ihre Betriebsrenten bangen, machte Weidmann Mut: "Wir müssen die Niedrigzinsphase beenden, sobald dies mit Blick auf die Preisniveaustabilität möglicht ist."

Die EZB hat bislang Staatsanleihen für 1,7 Billionen Euro gekauft. "Das Volumen ist beeindruckend", räumte Weidmann ein. "Wir müssen aufpassen, dass wir die Grenze zwischen Fiskal- und Geldpolitik nicht verwischen." Zu einem Zeitplan für den Ausstieg aus dem Ankauf, wie ihn die Wirtschaftsweisen fordern, äußerte er sich nicht.

Zugleich beruhigte er: Die Forderungen, die andere Länder an die EZB haben (sogenannte Target-Salden), seien kein Problem. "Die Salden werden nicht weiter steigen, wenn der Anleihenkauf beendet ist." Und wer Beschränkungen der Salden fordere, würde den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr für die Verbraucher einschränken.

Immobilienblase Die Preise für Eigentumswohnungen sind 2016 deutlich schneller gestiegen als in den Vorjahren. Die Bundesbank spricht im Monatsbericht bereits von "Preisübertreibungen", unter anderem in Frankfurt, Köln und Düsseldorf. Haben wir schon eine Spekulationsblase? "Nein, für den einzelnen Investor mögen die hohen Preise ein Problem sein, für das Bankensystem als Ganzes nicht", sagte Weidmann. Die hohe Kreditnachfrage sei nur dann ein Problem, wenn sich einzelne Banken zu viele riskante Kredite aufladen würden und umzufallen drohten. "Das sehen wir aber nicht."

Griechenland Im Juli braucht Griechenland erneut sieben Milliarden Euro, um dann auslaufende Staatsanleihen bedienen zu können. Grundsätzlich haben die internationalen Geldgeber Athen auch 86 Milliarden Euro zugesagt. Um die nächste Tranche zu erhalten, muss die Regierung aber Fortschritte bei Arbeitsmarkt- und Rentenreform vorweisen. Hat Athen genug getan? "Das entscheidet die Troika", sagte Weidmann. Grundsätzlich hätten andere Länder aber gezeigt, dass man es schaffen kann. "Und die Notenbanken sind nicht dazu da, der Politik Zeit zu kaufen."

Zukunft des Euro Auf die Frage, ob Deutschland nur die Wahl hätte zwischen Austritt aus dem Euro und Finanzierung einer Transferunion, sagte der Bundesbank-Chef: "Nicht, wenn sich alle in der Euro-Zone an die Spielregeln halten." Zudem müsse es möglich sein, dass Euro-Staaten auch pleite gehen könnten. Einen europäischen Finanzminister brauche man dagegen nicht. Von Eurobonds (gemeinschaftlich aufgenommenen Krediten aller Euroländer), die SPD-Chef Martin Schulz einst gefordert hat, hält Weidmann nichts. "Eurobonds machen nur Sinn, wenn wir in der Eurozone gemeinschaftlich entscheiden und gemeinschaftlich haften." Dass Länder national entschieden, aber alle haften müssten, verletze die Prinzipien der Marktwirtschaft.

Bitcoins und Baregeld Die Bundesbank schaut sich Entwicklungen wie das Internetgeld Bitcoin an. "Bitcoins sind sehr interessant wegen der dahinter liegenden Technologie. Eine Konkurrenz für den Euro sind sie nicht", sagte Weidmann. Zugleich versprach er: "Bargeld wird bleiben." Gewiss würden sich Zahlungsströme verschieben, immer öfter werde mit Karte gezahlt. "Doch Bargeld ist nicht von gestern. Gerade für Kleinbeträge ist es günstiger als jede andere Form von Geld."

Neuer EZB-Präsident Der EZB-Präsident bestimmt maßgeblich über die Geldpolitik und ist einer der mächtigsten Männer Europas. 2019 läuft die Amtszeit von Mario Draghi aus. Der Italiener ist nach Wim Duisenberg (Niederlande) und Jean-Claude Trichet (Frankreich) der dritte EZB-Präsident. Nach Europas Spielregeln wäre jetzt Deutschland dran, zumal als größte Volkswirtschaft der Euro-Zone. Weidmann wäre der naheliegende Kandidat. Auf die Frage, wie die Stellenbeschreibung für den neuen EZB-Präsidenten aussehen müsste, sagte Weidmann: "Er muss ein guter Geldpolitiker sein mit Blick für das Wesentliche." Und darf es auch ein Deutscher sein? Weidmann: "Ich fände es eigenartig, wenn man ein Land ausschließt."

(RP)
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