Fragen und Antworten Die Milchquote endet nach 30 Jahren

Brüssel · Mehr als drei Jahrzehnte lang durften die Bauern nicht nach Lust und Laune Milch produzieren: Die Milchquoten deckelten die Mengen. Diese EU-Regelung endet am Dienstag. Der künftige Markt ohne Quoten sorgt bei den Beteiligten für Hoffnungen und Sorgen.

Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre wurde in Europa zuviel Milch produziert - es entstanden die sogenannten Milchseen und Butterberge. Die Europäische Union, die damals noch Europäische Gemeinschaft hieß, reagierte mit Maßnahmen wie verbilligter "Weihnachtsbutter" und Butterlieferungen an die damalige Sowjetunion, wie der Landesbauernverband Niedersachsen erinnert. 1984 kam dann die Milchquote. Das Instrument sollte eigentlich nur fünf Jahre gelten, wurde aber immer wieder verlängert.

Was bedeutet die Quote?

Es handelt sich um eine Mengenbeschränkung. Sie wurde auf die einzelnen Mitgliedstaaten und dort auf die Bauern oder Molkereien heruntergebrochen. Wer die Quote überstieg, musste Strafe zahlen. Die Quote sei allerdings in den letzten Jahren ohnehin nur noch in einzelnen Ländern wie Deutschland, aber nicht mehr EU-weit ausgeschöpft worden, macht der europäische Milchindustrie-Verband European Dairy Association (EDA) geltend. Das heißt, dass europaweit ohnehin schon der Marktmechanismus wichtiger war als die staatliche Deckelung.

Warum wird die Quote jetzt abgeschafft?

Die Quote hat zwar die Butterberge und Milchseen verkleinern können. Andererseits hat sie große Preisschwankungen nicht aufhalten können und auch nicht die Entwicklung hin zu immer weniger und größeren Betrieben. Zugleich ist die Nachfrage weltweit stark gestiegen; dies ist laut EU-Kommission der Hauptgrund für die Abschaffung der Mengenbegrenzung.

Das Ende der Quote wird "keinerlei Einfluss" auf die Milchpreise im Supermarktregal haben, meint der EDA-Generalsekretär und deutsche Landwirt Alexander Anton. Ähnlich sieht es die EU-Kommission. Sie führt Erfahrungen an, wonach es keine notwendige Verbindung zwischen Erzeuger- und Konsumentenpreisen gebe. Selbst wenn der den Landwirten gezahlte Milchpreis also fallen sollte, müsse das den Verbrauchern nicht unbedingt zugute kommen. Laut EU fiel der den Bauern gezahlte Preis in der zweiten Jahreshälfte 2014 in Deutschland um 11,7 Prozent. Zeitgleich seien die Endverbraucherpreise aber um vier Prozent gestiegen.

Was wird befürchtet?

Falls die Milchquote nicht durch bessere politische Instrumente ersetzt werde, gehe der Trend des "Höfesterbens" weiter, fürchtet die Grünen-Europaabgeordnete und Milchbäuerin Maria Heubuch. "Betriebe werden dazu getrieben, zu expandieren, sich zu verschulden oder aufzugeben." Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) sagt eine Erhöhung der Milchmenge um zwei bis fünf Prozent voraus. Dadurch werden die Erzeugerpreise "unter Druck geraten", sagte BDM-Sprecher Hans Foldenauer. Wenn der Milchmarkt dann in eine Krise rutsche, müssten die Bürger über ihre Steuern womöglich Subventionen finanzieren.

Was wird erhofft?

Entbürokratisierung und Liberalisierung. Bauern müssen nicht mehr auf ihre Quoten schielen, sondern können freier handeln. Vielleicht werden die Europäer nicht mehr Milch trinken, aber andere Produkte stärker nachfragen: "Die Wachstumsprognosen sind weiterhin sehr gut, insbesondere für Mehrwertprodukte wie Käse, aber auch für Zutaten, die für Nahrungsergänzungsmittel, Sportnahrung und Diätprodukte verwenden werden", urteilt die Europäische Kommission. Der Deutsche Bauernverband (DBV) spricht von "neuen unternehmerischen Freiheiten".

Welche Rolle spielen Länder außerhalb der EU?

Eine immer größere. Der Pro-Kopf-Verbrauch hat in den vergangenen Jahren nach EDA-Zahlen zwar im Westen leicht abgenommen, aber weltweit stark zugelegt. EU-Experten hoffen für die Zukunft auf größere Abnehmer zum Beispiel in Afrika, wenn sich dort neue Mittelschichten bilden. Ein Hauptimporteur ist schon jetzt China. Allein eine Lockerung der chinesischen Ein-Kind-Politik könnte die gesamte Milchproduktion von Österreich aufnehmen, sagte EDA-Generalsekretär Anton.

(AFP)
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