Berlin Experten: Merkel soll EEG abschaffen

Berlin · Die teure Ökostrom-Förderung fördere weder Klimaschutz noch Innovationen, meint eine Kommission von Fachleuten. Bundeswirtschaftsminister Gabriel und Kanzlerin Merkel wollen das Gesetz ändern, die Grünen verteidigen es.

Klimapolitisch verfehlt, zu teuer und als Motor für Innovationen nutzlos: So urteilt die von der Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) über die deutsche Ökostrom-Förderung. Sie forderte daher gestern nichts weniger als die Abschaffung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG).

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die gestern das EFI-Jahresgutachten entgegennahm, verwies die Wissenschaftler darauf, dass die Koalition gerade dabei sei, die Förderung neu zu regeln. "Das heißt letztlich nichts anderes, als dass das EEG in seiner heutigen Form durch ein Ausschreibungsverfahren ersetzt werden und sich damit natürlich auch qualitativ verändern wird", sagte Merkel. Damit ist gemeint, dass sich Betreiber von Solar- und Windparks künftig nicht mehr auf 20 Jahre garantierte, feste Vergütungen verlassen können, sondern ihren Strom im Wettbewerb miteinander verkaufen müssen.

Das sechsköpfige Wissenschaftler-Gremium berät seit 2006 die Bundesregierung in der Forschungs- und Innovationspolitik. Am EEG stört die Wissenschaftler, dass davon kein Schub für technologische Innovationen ausgehe. "Die festen Einspeisevergütungen des EEG bieten keinen Anreiz zur Entwicklung neuartiger Technologien", heißt es im Gutachten. Dies zeige sich daran, dass es aus Deutschland keine Patentanmeldungen für "Radikal-Innovationen" gebe. Kosten und Nutzen stünden damit in einem krassen Missverhältnis.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) wies die Kritik teilweise zurück. Das EEG habe dafür gesorgt, dass der Ökostrom-Anteil von sechs auf 25 Prozent gestiegen sei, sagte eine Ministeriumssprecherin. 2014 wird ein Haushalt mit einem Stromverbrauch von 3500 Kilowattstunden im Jahr durch die EEG-Abgabe allerdings mit 220 Euro belastet. Die Umlage beträgt derzeit pro kWh 6,24 Cent. Mit der Energiewende soll der Atomausstieg bis 2022 gemeistert, der CO2-Ausstoß stark reduziert und der Ökostrom-Anteil bis 2050 auf 80 Prozent gesteigert werden.

Die EFI-Experten akzeptieren auch das Argument "Klimaschutz" nicht. Der vom EEG ausgelöste verstärkte Ausbau erneuerbarer Energien vermeide europaweit keine zusätzlichen CO2-Emissionen, sondern verlagere sie nur in andere Sektoren und europäische Länder. Studienmitautor Christoph Böhringer von der Universität Oldenburg: "Wir kriegen nicht mehr Klimaschutz, wir machen ihn nur teurer." Auch das Argument, dass Deutschland durch den Ökostromausbau von Stromimporten unabhängig werde, ließ er nicht gelten. "Wir bauen ja auch nicht Bananen an, um uns vom Bananen-Import unabhängiger zu machen."

Die Wissenschaftler rechnen vor: "Seit Beginn der Förderung sind die Vergütungszahlungen an Anlagenbetreiber von 1,6 Milliarden Euro im Jahr 2001 auf 22,9 Milliarden Euro im Jahr 2013 angewachsen." Dies habe zwar zu rasantem Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland geführt. Allerdings zulasten der Verbraucher. Mittlerweile entfalle vom Strompreis im Schnitt mehr als ein Fünftel auf die Umlage.

Grünen-Chefin Simone Peter konterte mit dem Vorwurf: "Bei ihrem Angriff auf das EEG sieht die fachfremde Kommission den Wald vor lauter Bäumen nicht". Mit einer jährlichen CO2-Vermeidung von mehr als 80 Millionen Tonnen CO2 sei das EEG "das erfolgreichste Klimaschutzinstrument in Europa" – in Wahrheit ist der CO2-Ausstoß in Deutschland aber im vergangenen Jahr angestiegen, weil Ökostrom den umweltfreundlichen Strom aus Gaskraftwerken verdrängt hat.

Außerdem sei das EEG Treiber für die Weiterentwicklung und Kostenfortschritte der erneuerbaren Energien. Dass Solarstrom heute 70 Prozent günstiger erzeugt werden könne als noch vor wenigen Jahren, sei "ein Riesenerfolg, den die Gutachter bei ihrer Methodik einfach ausblenden", sagte Peter. Der Bundesverband erneuerbare Energien betonte: "Das EEG hat erneuerbare Energien aus den Forschungslabors auf den industriellen Weltmarkt gebracht."

Viele Industriemanager sehen das auch so, plädieren aber jetzt für ein Ende der weiteren Förderung.

(mar)
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