Analyse Faktencheck: Wie schlimm ist Braunkohle?

Düsseldorf · Der Protest vieler Klimaaktivisten ist gesetzwidrig. Doch der Streit um die Braunkohle begleitet NRW seit Jahrzehnten. Ein Faktencheck zu dem umstrittenen Energieträger.

Die Braunkohle ist für Nordrhein-Westfalen das, was das Atommüll-Lager Gorleben für Niedersachsen ist: seit Jahrzehnten Anlass für Streit und Gewalt, Sprengstoff für Landesregierungen. Seit vier Jahren veranstalten Aktivisten Klimacamps im rheinische Revier, nun ist der Protest eskaliert.

Wie schädlich ist die Braunkohle? Bei der Braunkohle-Verfeuerung entsteht naturgemäß besonders viel Kohlendioxid (CO2). Das Gas ist zwar natürlicher Bestandteil der Luft, trägt aber in hoher Konzentration maßgeblich zur Erderwärmung bei, die für Klimawandel, Dürre und Überflutungen verantwortlich gemacht wird. Daher gilt Braunkohle vielen als schmutzige Energie und Klimakiller. Bei der Verfeuerung einer Tonne Braunkohle entsteht im Schnitt und in Abhängigkeit von der Effizienz des Kraftwerkes eine Tonne Kohlendioxod. Das ist viel im Vergleich zu anderen Energieträgern: Bei einem Gaskraftwerk fällt nur ein Drittel so viel CO2 an - von Windkraftanlagen und auch Atomkraftwerken ganz zu schweigen.

Da sich Deutschland verpflichtet hat, seinen Ausstoß an Treibhausgasen bis zum Jahr 2020 gegenüber 1990 um 40 Prozent zu senken, steht die Braunkohle auch bei der Bundesregierung besonders im Fokus. Nach langem Streit hat Schwarz-Rot die zunächst geplante Klimaabgabe zwar abgeräumt. Doch sie hat die Branche verpflichtet, Braunkohlekraftwerke mit einer Kapazität von 2,7 Gigawatt aus dem Markt zu nehmen (wenngleich die Stromkunden den Konzernen hierfür einen Ausgleich zahlen müssen).

Wie wirtschaftlich ist Braunkohle? Wirtschaftlich gesehen fällt die Bewertung besser aus. Anders als Strom aus Steinkohle, Wind- und Sonnenkraft kommt Braunkohle ohne staatliche Förderung aus. Sie ist der einzige heimische Energieträger, der subventionsfrei ist. Zugleich ist die Stromerzeugung aus Braunkohle viel günstiger als aus Gas. Entsprechend hat Braunkohle den größten Anteil am deutschen Strommix: 26 Prozent des Stroms kommen aus der Braunkohle. Allerdings ist der Energieträger auch deshalb so günstig, weil die Belastung des Klimas lange Zeit umsonst war beziehungsweise heute durch den europäischen Handel von Verschmutzungsrechten nur unzureichend berücksichtigt wird.

Welche Bedeutung hat Braunkohle für NRW? Braunkohle wird von Vattenfall und Mibrag in Ostdeutschland abgebaut, von RWE im rheinischen Revier. Hier betreibt der zweitgrößte deutsche Energiekonzern drei Tagebaue, in denen die Kohle gefördert und direkt in nahe gelegenen Kraftwerken verfeuert wird. Direkt beschäftigt RWE im rheinischen Revier 10 000 Menschen, 20 000 weitere Arbeitsplätze etwa bei Zulieferern hängen indirekt an der Braunkohle. Das Wohl ganzer Städte hängt an der Braunkohle, nicht umsonst heißt Grevenbroich "Energiehauptstadt". RWE ist auch ein wichtiger Gewerbesteuerzahler für die Braunkohle-Kommunen: Jüngst haben Betriebsprüfer den Konzern verdonnert, einen dreistelligen Millionen-Betrag nachzuzahlen.

Wie lange soll in NRW noch Braunkohle abgebaut werden? Bislang sahen die Pläne von RWE vor, dass der Tagebau Inden bis 2030 ausgekohlt ist, die Tagebaue Hambach und Garzweiler Braunkohle bis 2050. Allerdings beziehen sich die entsprechenden Genehmigungen nicht auf das Jahr, sondern die Abbaumenge. Und die will die rot-grüne Landesregierung nun verkleinern: Im Tagebau Garzweiler II sollen nur noch 900 Millionen statt 1,2 Milliarden Tonnen abgebaut werden. Im Herbst will die Landesregierung dazu ihre Leitentscheidung vorlegen. Dann will sie auch etwas zum Abbau nach 2030 sagen. Das Ganze soll in einem öffentlichen Konsultationsprozess beraten werden. Dies wäre eine gute Gelegenheit für die Braunkohle-Gegner, ihren Protest auf legalem Wege einzubringen.

Die Bundesnetzagentur erwartet ohnehin ein viel schnelleres Ende für die Braunkohle-Verstromung. Nach einem vor einigen Monaten erstellten Szenario muss RWE im Extremfall bis 2025 rund 20 Kraftwerks-Blöcke im rheinischen Revier abschalten. Dann wird mindestens ein Tagebau überflüssig.

Wie viele Bürger sind von den Umsiedlungen betroffen? Anders als Steinkohle wird Braunkohle im Tagebau gewonnen. Entsprechend müssen für die Bagger Dörfer und Menschen weichen. Für die drei Tagebaue im rheinischen Revier wurden bislang 38 000 Menschen umgesiedelt. In der Regel werden sie von RWE großzügig entschädigt, verlieren aber ihre Heimat. Für den Tagebau Garzweiler steht noch die Umsiedlung für rund 1500 Menschen der Ortschaften Keyenberg, Kuckum, Ober- und Unterwestrich sowie Berverath an. Der Ort Holzweiler soll nach dem Willen der Landesregierung verschont bleiben.

(anh)
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