Studie zur privaten Altersvorsorge "Falschberatung kostet Verbraucher 50 Milliarden"

Berlin · Eine neue Studie belegt, dass bei Angeboten zur privaten Altersvorsorge und bei Finanzprodukten viele schwarze Schafe lauern. Den richtigen Vertrag zu finden, komme einem "Lotteriespiel" gleich.

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Foto: ddp

Wenn sich die Berater bei der optimalen Finanzvorsorge der Bürger mehr an deren Bedürfnissen und weniger an den eigenen Provisionen orientieren würden, hätten deutsche Verbraucher pro Jahr mindestens 50 Milliarden Euro mehr. Eine neue Studie des Bamberger Finanzexperten Andreas Oehler kommt zu dem Ergebnis, dass durch falsche Beratung ein jährlicher Schaden zwischen 50 und 98 Milliarden entsteht.

Den richtigen Vertrag zu finden, komme einem "Lotteriespiel" gleich. Selbst die Probleme beim "Riestern" stellen laut Studie nur die Spitze des Eisberges dar. Besondere Gefahren lauern bei den schwer vergleichbaren und kaum durchschaubaren Finanzprodukten des "grauen" Kapitalmarktes, die auch zur Altersvorsorge verwendet werden. Je Sparte liegen die Schäden zwischen einer und 30 Milliarden Euro.

"Schwarzen Schafen das Handwerk legen"

Das Ergebnis der von der Grünen-Bundestagsfraktion in Auftrag gegebenen und unserer Zeitung vorab vorliegenden Studie bestätigt, dass die seit Jahren bekannten Probleme in prägnanter Weise fortbestehen. "Es ärgert mich, dass die Bundesregierung es nicht schafft, dass schlechte Finanzprodukte besser erkannt werden und schwarzen Schafen schneller das Handwerk gelegt wird", kritisiert Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn.

Die Grünen wollten von den Experten das Verhältnis von gesetzlicher Rentenversicherung und privater Vorsorge kritisch durchleuchten lassen. Dahinter stecken kontroverse politische Konzepte. Insbesondere die schwarz-gelbe Koalition setzt auf private Vorsorge und will durch staatliche Förderung Eigeninitiative stimulieren.

Folgen die Bürger dieser Empfehlung, müssen sie sich nach den Erkenntnissen Oehlers auf Ernüchterung gefasst machen. Zum Beispiel stimme häufig der Vorwurf, dass Riester-Verträge zu teuer seien und den Anbietern viel Geld in die Tasche spülten.

Kompliziertes System

Das System sei auch zu kompliziert. So bekämen 18 Prozent der geförderten Personen weniger als 50 Prozent der Grundzulage. Die Summe der Schäden aus überteuerten und individuell ungeeigneten Produkten sowie entgangenen Zulagen beziffert Oehler auf "mindestens eine Milliarde Euro pro Jahr".

Es mehrten sich Analysen, nach denen Kapitallebens- und private Rentenversicherungen für die meisten Verbraucher "kein sinnvolles Produkt" darstellten. Mehr als 75 Prozent aller auf 30 Jahre abgeschlossenen Verträge würden vorzeitig beendet.

Deshalb plädiert der Wissenschaftler dafür, die Kosten und Nutzen eines Vertrages fair und auf die gesamte Vertragslaufzeit zu verteilen. Derzeit könne ein Anleger rund die Hälfte seines eingezahlten Kapitals verlieren, wenn er nach sieben Jahre kündige.

Protokollpraxis kaum standardisiert

Grundsätzlich empfiehlt das Gutachten eine "Beweislastumkehr", nach der jeder Verkäufer für die Eignung der Produkte für die konkrete Kundensituation ausdrücklich haften müsse. Die derzeitige Protokollpraxis sei kaum standardisiert und liefere dem Verbraucher selten genügend Expertise, um effektiv widersprechen zu können. Für nicht sinnvoll hält es Oehler, bestimmte Finanzprodukte einfach zu verbieten.

Es gebe im Finanzbereich nicht "den" Kunden und auch nicht "das" Produkt und daher auch keine einfache Ampel dafür, was im Einzelfall gefährlich oder ungefährlich sei. Generell wundert sich Oehler, dass die Branche nicht selbst gegen die vielen "schwarzen Schafe" in den eigenen Reihen vorgehe. Denn es gebe auch viele Beispiele dafür, wie man es richtig macht.

(may-)
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