Dreiste Geschäfte Abzocke mit Senioren

München (rpo). Viele Policen, die im Augenblick den Senioren als kaufkräftige Kundschaft angeboten werden, sind sinnlos oder viel zu teuer. Das haben Verbraucherschützer herausgefunden.

Ältere Menschen sind momentan schwer gefragt und heftig umworben in Deutschland - zumindest als zahlungskräftige Kundschaft für Versicherungen. Ob Vorsorgevertrag für die eigene Bestattung, Sterbegeld-Police, Pflege- und Unfallversicherung oder ein Mix aus Privat- und Hundehalterhaftpflicht: Immer mehr Anbieter haben die wachsende Zielgruppe "60 plus" im Visier.

Ständig neue Sonderpolicen

Das Geschäft mit den Ängsten und dem Sicherheitsbedürfnis von Senioren habe "Hochkonjunktur", sagt Hedwig Telkamp von der Verbraucherzentrale Bayern. Ständig kommen neue Sonderpolicen auf den Markt, die angeblich genau auf "den dritten Lebensabschnitt" zugeschnitten sind.

Doch Vorsicht, warnt Andrea Hoffmann, Verbraucherschützerin aus Leipzig. Nicht jedes Senioren-Angebot sei von vornherein sinnvoll. Wegen des hohen Alters der Versicherungsnehmer seien viele Policen in der Regel mächtig teuer. Nicht einmal Angebote über gemeinnützige Vereine oder Hilfsdienste seien "automatisch günstig", mahnt Hoffmann zur Besonnenheit. Im Gegenteil: Oft sei die Rendite dann besonders mager. Verbände oder Vereine kassierten für die Vermittlung Provision - und oft auch noch beim Gewinn - als Spende deklariert - mit, berichtet Telkamp.

"Abenteuerliche Werbemethoden"

"Man will den älteren Leuten ans Portemonnaie", meint Lilo Blunck vom Bund der Versicherten. Jahrelang seien die Rentner als Risikogruppe geschmäht worden. Jetzt würden sie mit "abenteuerlichen Werbemethoden" umgarnt. "Die Idee klingt oft gut, aber die Bedingungen im Kleingedruckten zeigen dann häufig, dass den Senioren das Geld aus der Tasche gezogen werden soll", so die Erfahrung Bluncks. "Die geschnürten Versicherungspakete sind meist unnötig", ist auch Oliver Richter vom Büro für Altersdiskriminierung in Köln überzeugt.

Beispiel Sterbegeldversicherung - oder Bestattungspolice zur Finanzierung von Beerdigung, Trauerflor und Sarg: Weil die Krankenkassen seit Anfang 2004 kein Sterbegeld mehr zahlen, bieten Versicherungsvertreter gern private Vorsorgeverträge an - gerade jetzt im Herbst. "Und weil niemand seinen Kindern zur Last fallen will, der Tod aber teuer ist, unterschreibt man", weiß Blunck, häufig unter Druck und in Angst um die Zukunft.

Dabei ist eine solche Police - wie eine kleine Kapitallebensversicherung - nach Ansicht der Verbraucherschützer oft viel zu teuer erkauft - auch wenn sich Monatsbeiträge von 10, 20 Euro nicht sonderlich hoch anhören. "Das Ding ist einfach nicht rentabel", hat Telkamp errechnet. Wer für eine würdige Bestattung vorsorgen will, solle "sein Geld besser auf ein Sparbuch einzahlen und sichere Zinsen kassieren."

Kleingedrucktes genau lesen

Was Versicherer neuerdings auch gern verkaufen, sind spezielle Unfallversicherungen für Senioren, ab und zu auch in Verbindung mit Pflege- oder Reha-Leistungen. Aber aufgepasst, meint Hoffmann: "Auch da gibt es Haken." Oft wird gerade für typische Unfallfolgen im Alter wie ein Oberschenkelhalsbruch nicht gezahlt. Ein solcher Haftungsausschluss ist bei vielen Gesellschaften nach Schlaganfall, Herzattacke oder Bewusstlosigkeit üblich. Und manchmal seien die Gesundheitsfragen im Antrag so gestellt, dass sich der Versicherer im Schadensfall rausreden und die Zahlung verweigern könne, gibt Hoffmann zu bedenken.

Genaues Durchlesen der Versicherungsbedingungen müsse immer sein, auch bei Senioren-Angeboten, rät Blunck. Verspricht eine Unfallpolice beispielsweise, dass dem Verunglückten der Wohnungsputz, die Wäsche oder Haustierunterbringung abgenommen werden, sei meist nur die Organisation der Dienstleistung gemeint. Die Kosten muss der Betroffene schon selbst tragen, nicht sein Versicherer.

Für Senioren maßgeschneidert sind angeblich auch Versicherungsverträge für die Enkelkinder. Ob "Biene Maja" oder "Starthilfe": "Wer so was für die Nachkommen abschließt, sollte sich gleich auf eine Mini-Rendite einstellen", rät Blunck ab. "Da ist das Sparbuch immer besser."

(ap)
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