Milliarden-Hilfe für Griechenland Bundespräsident Köhler macht den Weg frei

Berlin (RPO). Seit Wochen diskutiert ganz Europa darüber, wie den Griechen aus ihrem finanziellen Desaster geholfen werden kann. Am heutigen Freitag stehen und standen sowohl in Deutschland als auch im Ausland wichtige Entscheidungen an, beginnend im Bundestag. Wir dokumentieren den Tag.

Auszüge aus dem Gesetzentwurf für die Griechenlandhilfe
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Foto: AP

Bundespräsident

Nach der Zustimmung durch Bundestag und Bundesrat hat Bundespräsident Horst Köhler den Weg für die milliardenschweren Griechenland-Notkredite endgültig freigemacht. Das Bundespräsidialamt teilte am späten Nachmittag mit: "Bundespräsident Horst Köhler hat das Währungsunion-Finanzstabilitätsgesetz, das heute vom Deutschen Bundestag und vom Bundesrat beschlossen worden ist, ausgefertigt und den Verkündungsauftrag erteilt."

Köhler unterzeichnete das Gesetz trotz einer am Freitag beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereichten Verfassungsbeschwerde.

Bundesrat

Der Bundesrat hat das Gesetz über die die staatliche Absicherung von Notkrediten für Griechenland passieren lassen. Die Länder beschlossen am Freitag mehrheitlich, das Inkrafttreten nicht durch eine Anrufung des Vermittlungsausschusses zu verzögern.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) appellierte zuvor in den Beratungen an die Länder, das Gesetz passieren zu lassen. "Die Stabilität der Euro-Zone als Ganzes steht - wie wir in diesen Tagen sehen - auf dem Spiel", betonte Schäuble. Zugleich sprach er sich dafür aus, Konsequenzen aus der Krise zu ziehen und brachte ein insolvenzähnliches Verfahren für EU-Mitgliedstaaten ins Spiel. Er räumte ein, dass das Sparpaket "ungewöhnlich einschneidende" Maßnahmen für Griechenland vorsehe.

Schäuble erläuterte, die Staatskredite hätten eine Laufzeit von drei Jahren. Sie seien in diesen drei Jahren tilgungsfrei und müssten dann in zwei Jahren zurückgezahlt werden. Zwischen den Mitgliedstaaten der Euro-Gruppe sei ein Ausgleich für den Fall vereinbart, dass die Refinanzierungszinsen für ein Land höher seien als vereinbart.

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) warf der Regierung vor, mit der Entscheidung der Griechenland-Hilfen zu lange gezögert zu haben. Er beklagte, dass sich die Koalition nicht auf die Einführung einer Finanztransaktionssteuer eingelassen habe. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) zeigte sich grundsätzlich offen für diese Forderung, sprach sich aber für eine internationale Lösung aus. Zugleich äußerte er deutliche Kritik an den Sozialdemokraten, die sich bei der Abstimmung über das Gesetz im Bundestag enthalten hatte. Er nannte dieses Abstimmungsverhalten "höchstgefährlich".

Bundestag

Am Mittag stimmte der Bundestag den Hilfen endgültig zu. Damit erklärt sich Deutschland bereit, Griechenland über die Staatsbank KfW binnen drei Jahren Notkredite von bis zu 22,4 Milliarden Euro zu gewähren. Von den 601 anwesenden Abgeordneten stimmten 390 mit Ja, was in etwa den Stimmen von CDU/CSU, FDP und Grünen entspricht.

Es gab 139 Enthaltungen, die vor allem aus dem Lager der SPD stammten. Fünf Enthaltungen kamen von den Grünen. Lediglich vier Sozialdemokraten stimmten mit Ja. Mit Nein stimmten 72 Abgeordnete. Die Mehrzahl davon kam von der Linken, aber auch vier Unions-Abgeordnete sowie ein FDP-Abgeordneter stimmten mit Nein.

Zugleich brachten die Bundestagsabgeordneten eine stärkere Regulierung der Finanzmärkte auf den Weg. Mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP wurde dafür ein Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen angenommen, in dem ein Frühwarnverfahren und härtere Sanktionen gegen Euro-Sünder gefordert werden.

Die Koalitionsparteien verteidigten zuvor die Hilfen. "Zu dem jetzigen Hilfepaket gibt es keine bessere Alternative", sagte der Haushaltsexperte der Unionsfraktion, Norbert Barthle. Es gehe um eine inhaltlich grundlegende Richtungsentscheidung für Griechenland, aber auch die Zukunft Europas und die deutschen Bürger. "Wir werfen Griechenland einen Rettungsring zu", sagte er.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble warb in der vorangegangenen Debatte mit großer Eindringlichkeit und Emotion für eine breite Unterstützung für die Finanzhilfen. Es gehe um eine Entscheidung "im Interesse unserer Chancen für eine Zukunft in Frieden, soziale Sicherheit und stabile, nachhaltiger Verhältnisse", sagte er.

SPD-Chef Gabriel nannte Schäubles Ausführungen eine "gute und kluge Rede". Der hätte es aber früher bedurft. Scharf griff Gabriel die Bundeskanzlerin an. "Merkel hat das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit in die deutsche Europapolitik zerstört", kritisierte Gabriel mit Blick auf die Haltung der Regierung in der EU-Debatte über das Hilfspaket. Auch Schäuble habe seine Meinung mehrfach geändert und damit die Spekulation gegen den Euro und Griechenland mit angeheizt. "Ihr Taktieren hat die Spekulanten erst richtig eingeladen", hielt Gabriel der Regierung vor.

Außenminister Guido Westerwelle gestand im Vorfeld aber ein, dass es bei den Griechenland-Bürgschaften ein gewisses Ausfallrisiko gibt. Die Bürgschaften für die Kredite "sind nicht ohne Risiko - keine Frage", sagte der FDP-Chef der "Bild"-Zeitung. Aber wenn es brenne, müsse man den zur Verfügung stehenden Feuerlöscher einsetzen. "Bundesbank, Europäische Zentralbank und Währungsfonds haben empfohlen, so zu handeln, wie wir es jetzt tun."

Finanzsektor

Wie stark sich die deutsche Finanzwirtschaft an den Griechenland-Hilfen beteiligt, steht nun ebenfalls fest. Mit acht Milliarden Euro will sie helfen, das ergebe sich aus den Zusagen der Unternehmen vom vergangenen Dienstag, sagte ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums am Freitag. Bislang beteiligen sich Unternehmen, die vor wenigen Tagen an einem Spitzengespräch mit Finanzminister Wolfgang Schäuble teilgenommen haben. Darunter befanden sich Konzerne wie die Deutsche Bank, die Commerzbank sowie die Versicherer Allianz und Münchener Rück.

Die Unternehmen hatten sich am Dienstag verpflichtet, unter anderem Anleihen der staatlichen Förderbank KfW für die Hilfen Deutschlands an Griechenland zu zeichnen. Wegen der Spekulationsgewinne im Zusammenhang mit der griechischen Schuldenkrise hatten sich in der Politik Stimmen gehäuft, Banken und andere Finanzmarktakteure notfalls zu einem Beitrag zu den milliardenschweren Griechenland-Hilfen zu zwingen.

Bundesverfassungsgericht

Das deutsche Hilfspaket für Griechenland steht jetzt auch auf dem Prüfstand des Bundesverfassungsgerichts. Eine Gruppe von fünf Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlern hat am Freitagmittag eine mit einem Eilantrag verbundene Verfassungsbeschwerde gegen das entsprechende Gesetz in Karlsruhe übergeben.

Aus Sicht der Kläger verstößt das milliardenschwere Hilfspaket gegen die EU-Verträge. Der Maastricht-Vertrag und der Lissabon-Vertrag sähen ausdrücklich vor, dass kein Mitgliedsland für ein anderes Land in finanziellen Schwierigkeiten eintrete oder für dessen Schulden hafte. Die EU habe sich jedoch zu einer "Haftungsgemeinschaft" statt zu einer Stabilitätsgemeinschaft entwickelt.

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat sich auf die Klage vorbereitet und will nun offenbar sehr zügig über den Eilantrag entscheiden. Dies könne noch an diesem Freitag oder am Wochenende sein, sagte Gerichtssprecherin Anja Kesting.

Zu der Kläger-Gruppe um den Staatsrechtsprofessor Karl Albrecht Schachtschneider und den emeritierten Tübinger Wirtschaftsprofessor Joachim Starbatty gehören auch der frühere Chef der hessischen Landesbank, Wilhelm Hankel, und der frühere Bundesbanker Wilhelm Nölling. Ihnen hat sich der frühere Thyssen-Chef Dieter Spethmann angeschlossen. Wann die Verfassungshüter über den Eilantrag entscheiden werden, stand am Freitagmittag noch nicht fest.

Börse

Trotz der internationalen Unterstützung haben die Zinsen für griechische Staatsanleihen am Freitag einen neuen Höchststand erreicht. Der Abstand zu deutschen Staatsanleihen beträgt jetzt schon 10,25 Prozentpunkte. An der Aktienbörse in Athen fielen die Kurse um 1,5 Prozent. Die Finanzmärkte zeigen sich damit wenig beeindruckt von der Verabschiedung eines Sparpakets der griechischen Regierung und den Beistandszusagen der Eurozone wie des Internationalen Währungsfonds

Brüssel

Noch vor dem Sondergipfel am Freitagabend wurden am Freitag in Brüssel kurzfristig kleinere Treffen angesetzt, auf denen über die Verschärfung des Stabilitätspaktes beraten werden sollte. Als Grundlage dienen laut Diplomaten die gemeinsamen Vorschläge von Bundeskanzlerin Angela Merkel und des französischen Staatschefs Nicolas Sarkozy vom Donnerstag. Beide Politiker wollten sich laut französischen Angaben kurz vor dem Gipfelauftakt um 19 Uhr erneut abstimmen.

Die Staats- und Regierungschefs der Euro-Länder wollen auf dem Sondergipfel in Brüssel das gesamte Milliarden-Kreditprogramm für Griechenland freigeben. Es sieht Kredite von 80 Milliarden Euro durch die Euro-Länder vor, weitere 30 Milliarden kommen vom Internationalen Währungsfonds. Bei dem Treffen der Euro-Länder soll auch über grundlegende Konsequenzen aus der Griechenland-Krise beraten werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy haben dazu in einem gemeinsamen Vorstoß schärfere Regeln zur Haushaltskontrolle und eine engere wirtschaftspolitische Abstimmung vorgeschlagen.

G-7

Die Finanzminister der sieben führenden Industriestaaten (G-7) wollen am Freitag in einer Telefonkonferenz über die Schuldenkrise in Griechenland beraten, wie der japanische Finanzminister Naoto Kan in Tokio sagte. Mit koordinierten Stützungskäufen der unter Druck geratenen Gemeinschaftswährung Euro durch die G-7 rechnete Kan allerdings nicht. Neben Japan und Deutschland gehören die USA, Kanada, Frankreich, Großbritannien und Italien zu den G-7.

Merkel und Obama telefonieren

Vor dem Sondergipfel der Euro-Länder in Brüssel haben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und US-Präsident Barack Obama telefonisch über die Griechenland-Krise beraten. "Wir waren uns einig, dass nun eine entschlossene politische Antwort der betroffenen Länder wichtig ist", sagte Obama am Freitag in Washington. Ebenso habe Einigkeit darüber bestanden, dass das Problem die gesamte internationale Gemeinschaft angehe. "Wir werden in dieser wichtigen Zeit weiter mit den europäischen Behörden und dem IWF zusammenarbeiten", sagte Obama weiter. Das Telefongespräch habe am Freitagmorgen (Ortszeit) stattgefunden.

Lissabon

Im krisengeplagten Protugal stehen ebenfalls wichtige Entscheidungen an. Das Parlament in Lissabon stimmt über einen Gesetzentwurf der Regierung zur Besteuerung von Aktiengewinnen und über eine neue Steuer für hohe Einkommen ab. Dies soll die Sparmaßnahmen des Landes unterstützen. Auch wird über eine Beteiligung Portugals am Hilfspaket von EU und IWF abgestimmt.

Bratislava/Rom

Im slowakischen Bratislava trifft sich Ministerpräsident Robert Fico mit Vertretern von Gewerkschaften, Arbeitnehmern und Banken, um über die Beteiligung an dem Rettungspaket zu beraten. Abgestimmt werden soll darüber laut Fico erst nach der Parlamentswahl am 12. Juni. Auch in anderen Ländern steht die Zustimmung noch aus. Die spanischen Volksvertreter stimmen voraussichtlich nächste Woche darüber ab, ebenso die finnischen. Das Votum des slowenischen Parlaments wird erst im Juni erwartet.

(ddp/RTR/AFP/apd/das/felt)
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