Griechenland am Abgrund Das passiert bei einer Staatspleite

Düsseldorf (RPO). Griechenland blickt weiterhin in den finanziellen Abgrund. Eine Staatspleite scheint nicht mehr unmöglich. Die Vergangenheit zeigt: Wenn der Fiskus erst einmal zahlungsunfähig ist, geraten die Grundfesten des Staates ins Wanken. Vor allem die Unter- und Mittelschicht bekommt den finanziellen Kollaps zu spüren.

Der Fahrplan zur Rettung Griechenlands
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Foto: AP

Für viele Menschen war es für eine lange Zeit unvorstellbar, dass Staaten pleite gehen können. Doch genau das könne passieren, warnte Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits im letzten Jahr - als die Krise in Griechenland noch in weiter Ferne schien. Aber wenn der Fiskus seine Schulden nicht mehr bedienen, Sozialleistungen oder Gehälter für seine Beamten nicht mehr auszahlen kann, ist er schlichtweg bankrott - wie jede andere Privatperson auch.

Dieser Fall ist in den letzten Jahrzehnten bereits einige Male eingetreten, zuletzt in Argentinien. Dort herrschten kurz vor Weihnachten 2001 chaotische Zustände. Die einstmals reiche Nation lag am Boden. Präsidenten wechselten im Tagesrhythmus, Läden wurden geplündert, auf den Straßen fielen Schüsse. Wenige Tage später konnte Argentinien seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen.

Die Ursache der Krise begann schon weit früher. Der damalige Präsident Carlos Menem koppelte den Wechselkurs des heimischen Peso im Verhältnis 1:1 an den Dollar. Das ging lange gut, Argentinien blühte regelrecht auf. Doch der Aufschwung stand auf einem wackeligen Fundament. 1998 folgte eine Rezession.

Schlangen vor den Geldautomaten

Die Regierung legte in der Folgzeit ein knallhartes Sparprogramm auf, das die Menschen auf die Straße trieb. Zahlreiche Generalstreiks stürzten das Land immer tiefer in die Krise. Ende November 2001 begann ein riesiger Ansturm auf die Banken. Innerhalb weniger Stunden hoben die Argentinier fast 1,3 Milliarden US-Dollar ab. Sie fürchteten, dass die Bindung des Peso an den Dollar aufgehoben und ihr Geld damit deutlich an Wert verlieren würde - zurecht.

Die Bilder der langen Schlangen vor den Geldautomaten, wo die Menschen ihre Ersparnisse in Sicherheit bringen wollten, gingen um die Welt. Die Regierung griff seinerzeit zu drastischen Maßnahmen und fror die Konten ein. Pro Woche und Besitzer durften nur noch 250 Dollar abgehoben werden - ein Umstand, der aus heutiger Sicht unvorstellbar scheint. Immerhin erklärte der Oberste Gerichtshof diese Maßnahme hinterher für verfassungswidrig.

Doch in den folgenden Tagen brachen alle Dämme. Bei Großdemonstrationen kamen 27 Menschen ums Leben. Der Präsident musste per Hubschrauber aus seinem Palast füchten. Anfang 2002 folgte die offizielle Bankrotterklärung, als Argentinien den Schuldendienst aussetzte. Der Peso wurde vom Dollar gelöst und massiv abgewertet. Sparguthaben schmolzen dahin, die Wirtschaft brach ein.

Aufschwung ab 2003

Erst ab 2003 ging es zunächst langsam, dann rapide aufwärts. Wegen des billigen Peso waren Exporte günstig, vor allem Soja entwickelte sich zum Bestseller. Doch große Teile der Mittelschicht sind noch heute verarmt. Die Pleite hat ihre Spuren in der Gesellschaft hinterlassen. Argentinien bekommt immer noch keine Kredite auf den Kapitalmärkten. Das Land muss sich erst nach und nach mit den Gläubigern von damals einigen.

Ein solches Szenario wie in Argentinien gilt unter Experten als äußerst unwahrscheinlich - auch wenn die Situation grundsätzlich vergleichbar ist. Dafür gibt es vor allem zwei Gründe: Argentinien stand seinerzeit im Wesentlichen allein da, verfügte aber gleichzeitig über seine volle Währungssouveränität.

Die Griechen sind eng in die EU eingebettet und kann von hier ebenso wie vom IWF Hilfe erwarten. Gleichzeitig haben die Hellenen nicht die Möglichkeit, die Gelddruckmaschine anzuwerfen. Durch eine gewollte Inflation kann der Schuldenberg des Staates künstlich abschmelzen. Das würde aber - wie im fall Argentinien - zu Lasten der Bevölkerung gehen, weswegen man bei diesem Vorgang von "kalter Enteignung" spricht.

Insolvenzverfahren gefordert

Fraglich ist allerdings, ob EU und IWF einfach nur Kredite bereitstellen und damit harte Spar- und Reformmaßnahmen verknüpfen. Auch eine Umschuldung, bei der die Gläubiger Abstriche von ihren Forderungen machen müssten, scheint möglich. Dabei müssten die Gläubiger aber auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten, was vor allem die Banken belasten würde. Deswegen gilt diese Variante als unwahrscheinlich.

Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) denkt unterdessen schon an zukünftige Fälle. Er plädierte für ein auf Rettung ausgerichtetes Insolvenzverfahren für Staaten. "Ziel muss es doch sein, dass ein insolventer Staat wieder auf eine finanzielle Grundlage gestellt wird", sagte Brüderle der "Zeit" vom Donnerstag. "Die Käufer von Staatsanleihen müssten sich dann im Falle einer Insolvenz Abschreibungen gefallen lassen - wie im klassischen Vergleichsverfahren", erläuterte er.

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