Warum die Wirtschaft überraschend brummt Der Ölpreisverfall bringt die Konjunktur auf Trab

Meinung · Kurz vor Weihnachten gibt es gute Konjunkturnachrichten: Der Aufschwung kehrt zurück, die Rezessionsängste des Sommers sind verflogen. Vor allem der drastische Ölpreisverfall hat die deutsche Konjunktur im Herbst wieder auf Trab gebracht.

Die Kaufkraft der Konsumenten ist infolge der geringen Benzin- und Heizölpreise noch einmal kräftig gestiegen, der Einzelhandel wird es im Weihnachtsgeschäft merken.

Auch die Energierechnung der Unternehmen ist im zweiten Halbjahr 2014 viel geringer als im ersten. Und im nächsten Jahr dürfte der Ölpreis kaum deutlich steigen, denn viele Erdölförderländer wollen ihr Angebot bislang nicht drosseln.

Zusätzlich profitieren deutsche Exporteure vom geringen Euro-Kurs und die Investoren vom sehr niedrigen Zinsniveau. Sollten die Unternehmensinvestitionen in diesem guten Umfeld 2015 nicht endlich anspringen, wäre etwas faul am Wirtschaftsstandort Deutschland.

Die meisten Ökonomen gehen aber davon aus, dass auch die Investitionen 2015 merklich zulegen werden. Das Konjunkturjahr dürfte also besser werden als das laufende — und es spricht wenig außer einer dramatischen Zuspitzung der Russland-Krise gegen einen längeren Aufschwung in Deutschland.

In einem solchen Zustand wird die Wirtschaft als Ganzes die Einführung des Mindestlohns zum 1. Januar recht mühelos verkraften können. Das gilt allerdings nicht für jedes Unternehmen und jeden Arbeitgeber. Wer als Dienstleister etwa im Osten Deutschlands unterwegs ist, wird es sich weniger leisten können, den Lohn für sämtliche Mitarbeiter auf Mindestlohn-Höhe anzuheben. Dagegen wird der Mindestlohn in den meisten Regionen Westdeutschlands auch den Service-Unternehmen nicht viel anhaben.

Auch die "schwarze Null" dürfte dem Bundesfinanzminister bei einer solchen robusten Konjunktur problemlos gelingen. Schon im laufenden Jahr schrammt Wolfgang Schäuble nur knapp an der Nullverschuldung vorbei. Im November waren die Steuereinnahmen gegenüber dem Vorjahresmonat so stark gestiegen wie in keinem anderen Monat 2014. Da die Löhne und Gehälter im kommenden Jahr weiter steigen, wird Schäuble davon profitieren — auch dank der umstrittenen kalten Progression.

Alle diese positiven Nachrichten haben aber auch eine Kehrseite: Im Euro-Raum verstärkt der Ölpreisverfall das Deflationsrisiko. Viele andere Euro-Länder sind der Gefahr sinkender Preiserwartungen sowie einer verhängnisvollen Lohn-Preis-Spirale nach unten bereits viel näher als Deutschland. Sollte die Euro-Zone tatsächlich in die Deflation rutschen, hätte das mit einiger Zeitverzögerung auch für Deutschland schlimme Folgen: Konsumenten und Investoren würden jäh auf die Bremse treten.

(RP)
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