Allianz-Chef im Interview "Die Deutschen sparen zu wenig fürs Alter"

Düsseldorf · Manfred Knof ist Deutschland-Chef der Allianz. Im Interview mit unserer Redaktion spricht er über den Kulturwandel in seinem Unternehmen, die Riester-Rente und das Ende der klassischen Lebensversicherung. Sorgen macht er sich um künftige Rentner.

"In der privaten Altersvorsorge ist der Anteil der klassischen Rentenversicherung auf unter zehn Prozent gesunken": Manfred Knof.

"In der privaten Altersvorsorge ist der Anteil der klassischen Rentenversicherung auf unter zehn Prozent gesunken": Manfred Knof.

Foto: Krebs Andreas

Herr Knof, der Bundestag hat eine Erhöhung der Grundzulage für die Riester-Rente von 154 auf 175 Euro im Jahr beschlossen. Jubilieren Sie?

Knof Nein, aber wir sehen es als starkes Signal, dass der Gesetzgeber die Altersvorsorge stärker fördern will. Man muss die Möglichkeiten verbessern. Was die Deutschen derzeit im Schnitt für die Altersvorsorge sparen, reicht nicht aus, um im Alter gut davon leben zu können.

Wie viel wäre das?

Knof Man braucht als Rentner idealerweise 60 bis 80 Prozent seines letzten Nettoeinkommens. Derzeit verfügen die Bundesbürger aber nur über 35 bis 40 Prozent.

Können sie nicht mehr sparen, oder wollen sie nicht?

Knof In der Tat hatten viele in den vergangenen Jahren einen geringen Nettolohnzuwachs. Bei den niedrigen Zinsen warten viele ab, anstatt ihr Erspartes in Altersvorsorge zu investieren. Manche schöpfen auch die staatlichen Zulagen für Riester-Verträge überhaupt nicht aus. Dieses Zulagenverfahren ist sehr kompliziert. Viele haben diesen Prozess einfach gescheut. Dafür haben wir jetzt beispielsweise einen digitalen Zulagenrechner fürs Smartphone entwickelt.

Womit wir beim Thema Digitalisierung wären. Wie viel Geld nehmen Sie dafür in die Hand?

Knof 2016 haben wir rund 155 Millionen Euro investiert. Dieser Betrag wird sich in den nächsten Jahren nicht einschneidend verändern. Man muss die Projekte erstmal umsetzen, neue Technik implementieren. Das ist der tiefgreifendste Wandel, den die Branche erlebt, weil das Smartphone das Instrument ist, das das Leben der Menschen einfacher macht. Das Ziel ist, dass der Kunde alle Versicherungsprodukte auf dem Smartphone bedienen kann.

Solch ein tiefgreifender Wandel setzt auch Kulturwandel im Unternehmen voraus. Gibt es da Probleme?

Knof Keine Frage, das ist eine Veränderung der Firmenkultur, aber die Notwendigkeit der Veränderung bestreitet ja niemand ernsthaft. Da kommt es uns entgegen, dass so gut wie jeder privat ein Smartphone nutzt. Da ist es logisch, dass das dann auch Einzug in den beruflichen Alltag gehalten hat.

Welche Rolle spielen beim digitalen Wandel die Insurtechs?

Knof Natürlich arbeiten wir auch mit Start-ups zusammen, an verschiedenen Stellen. Grundvoraussetzung: Innovation und Digitalisierung müssen unseren 20 Millionen Kunden etwas bringen. Das ist ein Geben und Nehmen. Die Insurtechs haben beispielsweise keine eigenen Kundenbestände und sind daher sehr an einer Kooperation mit uns interessiert. Ein Beispiel dafür ist unsere Zusammenarbeit mit der Gebrauchtwagen-Plattform Instamotion.

Zum Thema Digitalisierung gehört auch die gemeinsame Online-Login Plattform mit der Deutschen Bank, Daimler und Springer. Was versprechen Sie sich davon? Wie weit sind Sie?

Knof Wir haben die Absichtserklärung unterschrieben und stellen die Arbeitsgruppen zusammen. Außerdem muss das Projekt noch von den Wettbewerbsbehörden genehmigt werden. Was wir uns davon versprechen? So ein Generalschlüssel, mit dem man auf alles zugreifen könnte (Bankprodukte, Versicherungen, Mobilitätsdienstleistungen und vieles mehr), wäre doch ein Riesenfortschritt auf der Kundenseite. . .

. . . und ein europäisches Gegengewicht zu Facebook, Google und Co. ?

Knof Wie gesagt, das Ganze soll eine technologisch einfache und vor allem sichere Lösung für den Kunden sein. Aber es stimmt: Man muss den Firmen aus dem Silicon Valley nicht alles überlassen.

Wann könnte das Projekt starten?

Knof Ziel ist, spätestens in der zweiten Jahreshälfte 2018 mit ersten Funktionen an den Markt zu gehen. Nochmal: Wichtig ist bei dem Verfahren die technologische Sicherheit. Der Kunde muss darauf vertrauen können, dass es funktioniert.

Noch mal zurück zu Riester. Kaufen die Menschen überhaupt noch Riester-Versicherungen in großem Stil?

Knof Im ersten Quartal haben wir etwa 9000 Riester-Policen verkauft, 2000 weniger als im Vorjahr, was uns nicht überrascht. Aber das neue Gesetz könnte uns einen Schub geben.

Und Lebensversicherungen?

Knof Da heben wir uns bereits deutlich vom Gesamtmarkt ab. Während die Branche im Schnitt im letzten Jahr verloren hat, ist das gesamte Geschäft bei uns stark gewachsen, und im ersten Quartal noch einmal um 20 Prozent. Der Wachstumsmotor Altersvorsorge läuft . . . .

. . . aber bestimmt nicht dank der Produkte mit einer Garantieverzinsung

Knof Richtig. Wir haben solche Produkte noch im Regal, aber der Kunde kauft sie so gut wie nicht mehr. In der privaten Altersvorsorge ist der Anteil der klassischen Rentenversicherung auf unter zehn Prozent gesunken, in der betrieblichen Altersvorsorge auf unter 25 Prozent. Die Kunden wissen, dass mit den neuen Produkten die Renditemöglichkeiten deutlich besser sind.

Woher kommt das?

Knof Wir investieren beispielsweise in Infrastrukturprojekte, da liegt die Rendite im Schnitt um vier oder mehr Prozentpunkte über der Rendite auf festverzinsliche Anlagen.

Europas Versicherer haben gerade offenlegen müssen, wie finanzstark und krisenfest sie sind. Liest man die Zahlen, könnte man glauben, alles sei gut. Aber es gibt große Zweifel, ob das Verfahren taugt.

Knof Es gibt unterschiedliche Modelle, interne und Standardmodelle, es spielt beispielsweise eine Rolle, welche Lebensversicherung man verkauft, ob Risiko- oder Fondspolicen. Das ist für Kunden und Investoren schwer zu beurteilen, weil es nicht wirklich transparent ist. Da ist noch viel Verbesserungspotenzial.

Fühlen Sie sich selbst gut gerüstet?

Knof Wir müssen uns keine Sorgen machen. Nach derzeitigem Stand wären wir in der Lage, in den nächsten 60 Jahren alle Anforderungen zu erfüllen, selbst wenn wir für Neuanlagen keine Zinsen mehr erhielten.

Könnten Sie sich vorstellen, Versicherungsbestände für andere abzuwickeln?

Knof Wenn sich das als attraktives Geschäftsmodell erweisen sollte, würde ich das nicht ausschließen.

Cyberversicherungen sind groß im Gespräch. Ein Geschäft der Zukunft?

Knof Man muss einräumen, dass die Bedrohungslage gestiegen ist, sowohl für unsere eigenen Datenbestände als auch für die unserer Firmenkunden oder öffentlicher Einrichtungen. Der Verkauf von Cyberversicherungen steht erst ganz am Anfang. Und zunächst war das wohl ein Thema für Großkunden. Aber es kann jeden berühren, dessen Geschäftsmodell auf dem vertraulichen Umgang mit Daten fußt - Anwaltskanzleien, Notare, Arztpraxen.

GEORG WINTERS STELLTE DIE FRAGEN

(RP)
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