Folgen für die deutsche Wirtschaft Die Gewinner und Verlierer der Franken-Revolte

Zürich/Frankfurt · Aus Angst vor einer neuen Geldschwemme der EZB geben die Schweizer die Franken-Bindung auf. Das ist schlecht für deutsche Touristen, Schweizer Exporteure und Schweizer Banken. Die Gebühren für Einlagen steigen auf 0,75 Prozent.

Folgen für die deutsche Wirtschaft: Die Gewinner und Verlierer der Franken-Revolte
Foto: dpa, obe hpl

Es war eine dürre Meldung auf der Internetseite der Schweizerischen Nationalbank. "Die Nationalbank hebt den Mindestkurs von 1,20 Franken pro Euro auf", stand da am Donnerstag. Doch die Nachricht löste massive Reaktionen aus. Auf den Anzeigetafeln der Börsen raste der Franken-Kurs gegenüber dem Euro steil nach oben. Die Kurse an den Börsen in der Schweiz brachen um 18 Prozent ein. Damit endete die Operation Mindestkurs ebenso abrupt wie sie im September 2011 begonnen hatte. "Dieser Schritt kam etwas überraschend", sagte Christine Lagarde, Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF). Die Folgen werden Helvetiens Unternehmen, aber auch Firmen und Touristen aus Europa noch lange spüren.

Warum gibt die Schweizer Notenbank den Mindestkurs auf?

Nationalbank-Präsident Thomas Jordan verwies auf die Unterschiede in der internationalen Geldpolitik. Während die Europäische Zentralbank (EZB) auf Nullzinsen und billiges Geld setzt, haben die USA bereits die Zinswende nach oben angekündigt. Entsprechend ist der Euro seit Wochen auf Talfahrt. Erst vor kurzem fiel er unter seinen Einstandskurs. "Daher ist die Nationalbank zum Schluss gekommen, dass die Durchsetzung und die Aufrechterhaltung des Euro-Franken-Mindestkurses nicht mehr gerechtfertigt sind", so Jordan. Das heißt: Die Schweiz hat vor dem schwachen Euro kapituliert.

Warum gerade jetzt?

Nächsten Donnerstag will die EZB über den Kauf von Staatsanleihen von bis zu einer Billion Euro entscheiden. Erst am Mittwoch hatte der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs überraschend grünes Licht für eine solche Art von Politik gegeben. Der SNB-Präsident bestritt zwar, er habe auf den Generalanwalt reagiert. Marktbeobachter sehen dennoch einen Zusammenhang. Durch das Plädoyer des Generalanwalts sei der Anleihe-Ankauf der EZB in großem Stil wahrscheinlicher geworden, meint Christian Schulz, Volkswirt der Berenberg-Bank. Das würde den Euro weiter unter Druck setzen und hätte die Schweizer gezwungen, weitere Euro und Staatsanleihen zu kaufen, um die Grenzen von 1,20 Franken zu halten. Damit macht die SNB nun Schluss.

Warum erhöhen die Schweizer die Strafzinsen?

Mit der Abkoppelung vom Euro wird der Franken als Fluchtwährung noch attraktiver. Um zu verhindern, dass nun noch mehr ausländisches Kapital ins Land strömt, was den Franken weiter aufwerten würde, hat die Schweizer Notenbank zeitgleich den Strafzins auf nun 0,75 Prozent erhöht. Auch das ist ein trauriger Rekord. Private Banken, die 100 000 Franken bei der SNB anlegen, müssen demnach nun 750 Franken Strafe zahlen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Geschäftsbanken den Strafzins an Kunden weitergeben.

Folgen für deutsche Touristen?

Für sie wird die Schweiz noch teurer, als sie bislang schon war. Schon seit Jahren ärgern sich Reisende über die Mondpreise zwischen Bodensee und dem Tessin. Wer bezahlt für eine normale Pizza mit Bier schon gerne 22 Euro? Nach dem gestrigen Entscheid dürften Skipässe, Hotels und Restaurants noch einmal um ein Sechstel teurer werden.

Folgen für die Schweizer Wirtschaft?

Für Waren der Schweizer Unternehmen - von Roche-Pillen über ABB-Maschinen bis zu Uhren und Schokolade - werden die Bürger im Euro-Raum deutlich mehr zahlen müssen. 39,3 Prozent der Schweizer Exporte gehen nach Deutschland, auf Rang zwei folgten die USA und dann die Euro-Länder Frankreich und Italien. Aus den zunächst erwarteten 1,9 Prozent Wachstum für die Schweiz wird in diesem Jahr nichts mehr werden.

Folgen für die deutsche Wirtschaft?

Zunächst waren die Anleger geschockt, der Dax fiel vormittags um 1,8 Prozent. Da herrschte die Sorge vor, der Euro könne international in Misskredit geraten. Später setzte sich die Erkenntnis durch, dass ein schwacher Euro vor allem der deutschen Exportwirtschaft helfe. Am Abend ging der Dax mit einem Plus von 2,2 Prozent auf 10.033 Zähler aus dem Handel. Auch die EZB dürfte sich freuen: Der Fall des Euro wirkt wie ein Konjunkturprogramm und wirkt damit den Deflationsgefahren im Euro-Raum entgegen.

(RP)
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