Dublin bringt Sparpaket auf den Weg Die Iren protestieren mit Merkel-Masken

Dublin (RP). An diesem Dienstag soll das irische Parlament einen rigiden Sparhaushalt verabschieden. 15 Milliarden Euro will Ministerpräsident Brian Cohen in den nächsten vier Jahren einsparen. Angesichts drastischer Kürzungen und Steuererhöhungen wächst der Protest.´

Irland-Krise: Zerbricht daran der Euro?
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Foto: AFP

Deidre Gubbins hat genug von der irischen Regierung: "Die einfachen Leute haben die Krise nicht verursacht, sollen jetzt aber den Schlamassel bezahlen", sagt die 47-Jährige. Am Dienstag, wenn der der irische Haushalt verabschiedet wird, will die fünffache Mutter auf die Straße gehen, protestieren gegen Steuererhöhungen und die Kürzung der Sozialleistungen. In einem Pub in Dublin diskutiert sie mit Gleichgesinnten über das richtige Vorgehen. Musik wollen sie machen, Krach schlagen gegen die Politiker, denen sie nicht mehr vertrauen.

Die Aktivisten organisieren sich über eine Internetplattform mit dem gälischen Namen "Tin na Saor", übersetzt "Land des Friedens". Die meisten von ihnen sind Studenten, sie schimpfen über "die da oben", von einer scharfen Wut auf die Regierung berichten sie, von dem Gefühl der Ohnmacht gegenüber dem Staat, dem Finanzsystem, der Krise. Verschwörungstheorien über die Verderbtheit der irischen Politiker und Banker machen die Runde, gemeinsam wird über das Ausmaß der Proteste spekuliert.

Ausschreitungen befürchtet

David Morrissey, der seinen Job verloren hat und sich, wie er sagt, mit Gelegenheitsjobs über Wasser halten muss, ist sicher, dass es Ausschreitungen geben wird: "Die Leute haben Angst", sagt Morrissey. Auch er sei nicht sicher, wie lange er seine Miete noch bezahlen könne. Und aus Angst werde Wut, jetzt, wo das drastische Sparpaket verabschiedet werden soll.

Einsparungen von 15 Milliarden Euro hat der irische Ministerpräsident Brian Cowen für die kommenden vier Jahren eingeplant — auch unter dem Druck der EU. Denn die drastische Kürzungen und Steuererhöhungen sind die Bedingung für die Auszahlung internationaler Hilfen aus dem EU-Rettungsschirm und dem Internationalen Währungsfonds. 85 Milliarden Euro soll Irland daraus voraussichtlich erhalten, um den maroden Staatshaushalt und das kriselnde Bankensystem zu stabilisieren.

Wie ein Vasall der Deutschen und Franzosen

Cowen hat daher bereits an die "nationale Verantwortung" der Oppositionsparteien appelliert, die Sparpläne zu unterstützen. Denn seine eigene Koalition besitzt nur noch eine Mehrheit von zwei Stimmen. Zwar hat der Koalitionspartner von Cowens Partei Fiana Fail, die Grünen, zugesagt, dem Haushalt zuzustimmen. Größter Unsicherheitsfaktor sind aber zwei unabhängige Abgeordnete, die in den irischen Medien offen ihre Zweifel am Sparprogramm geäußert haben.

Die Abhängigkeit von der EU ist es, die viele Menschen in Irland stört. Zu ihnen gehört Muriel Saidler. Mit einer Maske von Angela Merkel protestiert sie vor dem irischen Parlament, es ist der Tag vor der Haushaltsverkündung. Irland werde von den größeren EU-Staaten wie Frankreich und Deutschland im Stich gelassen, sagt die Rentnerin. Dass das Geld aus dem Rettungsschirm den Banken zufließen soll, findet sie empörend. Ihr Mitstreiter Niall Farrell, ausgerüstet mit einer Maske des französischen Staatspräsidenten Nikolas Sarkozy, pflichtet ihr bei: "Die Banken sind wie Casinospieler, die plötzlich merken, dass sie kein Geld mehr haben", meint er. "Und dann laufen sie von der Spielhalle auf die Straße und klauen dem einfachen Mann das Geld aus der Tasche", fügt der 57-Jährige hinzu.

"Irland ist am Ende"

Für 2011 plant die irische Regierung sechs Milliarden Euro Einsparungen. Gekürzt werden Sozialleistungen und Gesundheitsausgaben, außerdem soll die Einkommenssteuer steigen. Der differenzierte Sparplan wird am Dienstag Nachmittag vorgestellt. Die Proteste meist linker Gruppierungen sind für den Abend geplant. Auf Plakaten rufen sie zum "Marsch auf das Parlament" auf. Wie viele Demonstranten kommen werden, bleibt abzuwarten. Vor zwei Wochen waren bei einem gewerkschaftlich organisierten Protest knapp 100.000 Menschen durch Dublin gezogen.

Die Dubliner Polizei ist laut einem Sprecher "für alle Eventualitäten gerüstet", will aber keine Prognose darüber abgeben, wie groß der Widerstand sein wird. Die Aktivisten von "Tin na Saor" jedenfalls haben bereits einen Plan ausgearbeitet. Den ganzen Tag wollen sie am "Budget Day" unterwegs sein um Stimmung zu machen gegen die Entscheidungen der Regierung. Denn sie wissen schon jetzt, dass sie alles ablehnen, was die Regierung beschließt. "Das Vertrauen ist weg", sagt David Morrissey. "Irland ist am Ende und sie trampeln noch darauf herum."

(RP)
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