Die Währungsunion kämpft ums Überleben Ein Schicksalsjahr für den Euro

Düsseldorf · Vor zehn Jahren wurde das Euro-Bargeld eingeführt. Nun kämpft die Währungsunion um ihr Überleben. Vor allem in Italien entscheidet sich in diesem Jahr die Zukunft des Euro. Das Gründerland der EU braucht 300 Milliarden Euro. Der nächste Krisengipfel ist in vier Wochen.

Zehn Jahre Euro - Erinnerungen an den Start der Einheitswährung
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Zehn Jahre Euro - Erinnerungen an den Start der Einheitswährung

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Vor zehn Jahren war es so weit: 320 Millionen Menschen in zwölf Ländern Europas bekamen am 1. Januar 2002 eine neue Währung. Von Mitternacht an gaben Bankautomaten damals europaweit die neuen Geldscheine aus. Hatten die D-Mark-Scheine noch große Deutsche wie der Mathematiker Carl Friedrich Gauß (Zehn Mark) oder die Gebrüder Grimm (1000 Mark) geziert, kamen die Euro-Scheine neutraler daher: Sie zeigen bis heute abstrakte Bauwerke aus den verschiedenen Zeitaltern Europas. So sollte kein Land benachteiligt oder bevorzugt werden. Europaweit mussten sich damals die Bürger an neue Scheine und Preise gewöhnen.

Der Abschied von der Mark machte vielen Deutschen Sorgen, die sich aber zunächst als unbegründet erwiesen. Der Euro wurde keine "kränkelnde Frühgeburt", wie Gerhard Schröder einst geunkt hatte, sondern entwickelte sich zu einer stabilen Währung, die zeitweilig 1,60 Dollar wert war. Der Euro wurde, anders als befürchtet, auch kein Teuro. Die Inflationsrate ist bislang stets geringer gewesen als zu D-Mark-Zeiten.

Keine Feierlaune zum Jubiläum

Und doch ist zum zehnten Geburtstag des Euro niemandem zum Feiern zu Mute. Die mittlerweile auf 17 Länder angewachsene Währungsunion steckt in einer tiefen Krise. Viele sprechen von der schwersten Krise Europas seit dem Zweiten Weltkrieg. Im neuen Jahr wird sich entscheiden, ob der Euro diese Krise übersteht. "2012 wird das Schicksalsjahr für den Euro", sagt Thomas Mayer, Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Und selbst die zurückhaltende Wirtschaftsweise Beatrice Weder di Mauro will nicht ausschließen, dass der Euro 2012 auseinanderbricht: "Das wäre für alle Beteiligten schlimm — aber nicht mehr ganz auszuschließen", sagte di Mauro. Entschieden wird das Schicksal der jungen Währung in drei Städten: in Brüssel, in Athen und vor allem, in Rom.

Italien braucht im Jahr 2012 neue Kredite im Wert von 300 Milliarden Euro, um auslaufende Kredite ablösen zu können. In dieser Woche musste der italienische Staat den Investoren wieder Rekordzinsen von sieben Prozent bieten, damit sie ihm neue Staatsanleihen abnehmen. Schon das ist auf Dauer für eine reife Volkswirtschaft nicht zu bezahlen. Kommen in den nächsten Woche neue schlechte Nachrichten hinzu, droht Italien, gar kein Geld mehr zu erhalten. Schon jetzt bunkern Banken europaweit ihr Geld lieber für einen Minizins von 0,25 Prozent bei der Europäischen Zentralbank, als dafür gut verzinste Staatsanleihen zu erwerben.

Volkswirte rechnen damit, dass Italien im ersten Halbjahr 2012 erst einmal in eine tiefe Rezession stürzt, auch weil nun die scharfen staatlichen Sparprogramme greifen. Die Regierung von Ministerpräsident Mario Monti hat bis zum Frühjahr 2013 Zeit, das Land wieder aus der Rezession zu führen und zugleich mit dem Abbau der Schulden zu beginnen. Eine schwierige Aufgabe, die aber gelöst werden muss.

Kann Italien seine Schulden nicht mehr bezahlen, bricht die Währungsunion auseinander. Denn alle Versuche sind gescheitert, den Euro-Rettungsschirm ESFS so groß zu machen, dass er neben vielen kleineren Ländern auch die drittgrößte Volkswirtschaft Europas retten kann. Hinzu kommt die psychologische Komponente: Italien ist Gründerland der Europäischen Union und hat grundsätzlich eine leistungsfähige Wirtschaft. Politisch ist eine Währungsunion ohne Italien undenkbar.

Neue Gefahren für den Euro lauern 2012 auch in Athen. Für den Rettungsschirm wäre es zwar ein Leichtes, alle Schulden von Griechenland zu übernehmen und so das Feuer dort endgültig zu löschen. Aber was wäre das für ein Signal. Folgerichtig bestehen die Euro-Länder weiter auf Gegenleistungen in Form von harten Sparmaßnahmen. Doch die Zweifel wachsen, wie lange die Griechen das noch mitmachen.

Die Not-Regierung unter dem früheren Zentralbanker Lukas Papademos ist nur bis Mitte Februar im Amt. Dann soll es Neuwahlen geben. Die Gefahr ist groß, dass aus diesen Wahlen eine Regierung hervorgeht, die den harten Sparkurs stoppt, gegen den Zehntausende schon jetzt regelmäßig auf die Straßen gehen. Wenn aber die Griechen nicht mehr sparen wollen, werden die Europäer ihre Hilfe einstellen, Griechenland ginge unkontrolliert Pleite. Eine zweite Lehman-Krise wäre da und dürfte weltweit Bankenpleiten und einen Wirtschaftseinbruch auslösen.

All dies wissen auch die europäischen Regierungschefs. Daher wollen sie nun monatlich zu Gipfeltreffen zusammenkommen, um weitere Schritte im Kampf gegen die Euro-Krise zu beraten. Bereits am 30. Januar 2012 treffen sie das nächste Mal in Brüssel zusammen.

Trotz allem geht Deutschlands Elite mehrheitlich davon aus, dass die Währungsunion überleben, dafür aber einen hohen Preis zahlen wird. 64 Prozent der 500 Top-Entscheider aus Wirtschaft und Politik, die das Allensbach-Institut im Auftrag des Magazins "Capital" regelmäßig befragt, erwarten, dass die Euro-Zone ihre Probleme bewältigt. Die Mehrheit glaubt aber auch, dass Staatsanleihen sich nur noch schwer verkaufen lassen und die Glaubwürdigkeit der EZB schwer beschädigt wird. Trübe Aussichten für den Euro, der einst als historisches Friedensprojekt gestartet ist.

(RP/felt/top)
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