Gutachten zur EZB-Politik Rückendeckung für Draghis Anleihen-Käufe

Berlin · Der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof hält die Pläne der Notenbank zum Kauf von Staatspapieren für rechtmäßig. Bundesregierung und EZB sind erleichtert. Einige Ökonomen sind kritisch und sehen Karlsruhe brüskiert.

Das sind die Instrumente der EZB
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Die Europäische Zentralbank (EZB) darf nach Einschätzung des Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof (EuGH), Pedro Cruz Villalon, im Krisenfall massenhaft Anleihen von Euro-Staaten aufkaufen. Er widersprach damit der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, das dies im Februar 2014 bezweifelt und den Sachverhalt dem EuGH zur Prüfung vorgelegt hatte. Bundesregierung, EZB und der größte Teil der Fachwelt reagierten erleichtert. Sie erwarten, dass der EuGH der Beschlussempfehlung in drei bis sechs Monaten folgt.

Worum geht es genau bei dem Luxemburger Verfahren?

Die EZB hatte Mitte 2012 ein Programm zum unbegrenzten Ankauf der Anleihen von Krisenländern beschlossen, das sie "Outright Monetary Transactions" (OMT) nannte. Es wurde nie in die Tat umgesetzt, weil allein die glaubhafte Ankündigung dafür sorgte, dass die Märkte von Attacken auf Krisenländer wie Griechenland, Portugal und Irland abließen. Mit OMT hätte die EZB die stark steigenden Zinsen gedrückt, die die Länder Investoren zahlen mussten. So wollte sie verhindern, dass die Staaten pleite gehen. Die Ankündigung markierte die Wende in der Euro-Krise. "Wenn Märkte in Panik geraten wie 2012, als Anleger massiv aus Anleihen einzelner Euro-Länder rausgegangen sind, muss die EZB eingreifen können. Hätte sie das nicht getan, wäre der Euro schon Geschichte", sagte der Wirtschaftsweise Peter Bofinger.

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Warum sind Staatsanleihenkäufe durch die EZB so umstritten?

Bundesbankpräsident Jens Weidmann, Ifo-Chef Hans-Werner Sinn und 35.000 Bundesbürger, die Klage vor dem Verfassungsgericht eingereicht hatten, sehen die Anleihenkäufe kritisch, weil die EZB damit Staatsschulden mit der Notenpresse finanziere. Das gefährde die Unabhängigkeit der EZB und verringere die Reformbereitschaft der Länder.

Wie bewertete das Verfassungsgericht den Plan der Anleihekäufe?

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Das OMT sah vor, dass die betroffenen Staaten im Gegenzug für die EZB-Hilfe bestimmte Reformauflagen erfüllen. Karlsruhe war im Februar 2014 der Auffassung, dass die EZB gerade damit ihr Mandat überschritt, weil sie laut EU-Vertrag keine eigenständige Wirtschaftspolitik betreiben dürfe. Zudem verstoße sie gegen das Verbot der Staatsfinanzierung. Karlsruhe gab das Thema dem EuGH zur Prüfung weiter.

Welche Meinung vertritt der Generalanwalt am EuGH?

Er hält das OMT-Programm für verhältnismäßig, weil die EZB kein Risiko einer eigenen Insolvenz eingehe. Voraussetzung sei, dass sie sich aus den für einen betroffenen Staat geltenden Reformprogrammen heraushalte. Grünen-Europapolitiker Sven Giegold meinte, dass sich die EZB nun aus der Troika, die den Reformprozess in Krisenstaaten überprüft, zurückziehen muss.

Die wichtigsten Fragen zur EU-Bankenaufsicht
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Wie reagierten Fachleute?

"Die Beschlussempfehlung ist nachvollziehbar und richtig. Die EZB darf nicht eines so wichtigen Instrumentes wie der Staatsanleihenkäufe beraubt werden", sagte Bofinger. "Es ist ein übliches Instrument im Waffenarsenal internationaler Notenbanken." Dekabank-Volkswirt Andreas Scheuerle sagte: "Nach dem Beschlussantrag gibt es in der Bankenwelt ein kollektives Aufatmen. Jede andere Entscheidung wäre für den Euro gefährlich geworden." Ifo-Chef Sinn gab sich dagegen entsetzt: "Dies kommt einem Freibrief für die EZB gleich." Er warnte vor einer Verfassungskrise. "Nun droht ein Konflikt zwischen Bundesverfassungsgericht und EuGH", sagte auch Clemens Fuest, Chef des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung. Karlsruhe werde alleine gegen OMT vorgehen.

Was passiert jetzt?

Die EZB wird wohl kommende Woche ein neues Programm zum Ankauf von Staatsanleihen beschließen. Anders als bei OMT sollen Anleihen aller Staaten erworben werden — mit dem Ziel, den Euro-Wechselkurs zu drücken und damit die Deflationsgefahr zu bannen.

(mar)
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