Trotz Wachstums in Deutschland und Frankreich Eurozone rutscht in Rezession

Brüssel/Luxemburg · Trotz Wachstums in Deutschland und Frankreich ist die Euro-Zone in die Rezession gerutscht. Das Bruttoinlandsprodukt der 17 Mitgliedsstaaten sank zwischen Juli und September um 0,1 Prozent im Vergleich zum Frühjahr, wie das Statistikamt Eurostat am Donnerstag in Brüssel mitteilte.

Von Reuters befragte Ökonomen hatten mit einem Rückgang um 0,2 Prozent gerechnet. Bereits im Frühjahr war die Wirtschaft um 0,2 Prozent geschrumpft. Bei zwei Minus-Quartalen in Folge sprechen Fachleute von einer Rezession.

Während die Wirtschaft in Deutschland und Frankreich je um 0,2 Prozent zulegte, ging die Talfahrt in den Krisenländern wie Spanien, Italien, Portugal und Griechenland weiter.

Was für und gegen eine Rezession in Deutschland spricht

Die Schuldenkrise bremst die deutsche Wirtschaft. Im dritten Quartal wuchs sie nur noch um 0,2 Prozent, weil die Unternehmen wegen ungewisser Aussichten weniger investieren.

Im Herbst und im Winter könnte Europas größte Volkswirtschaft noch stärker in Mitleidenschaft gezogen werden. Das signalisieren fast alle Konjunkturindikatoren. Droht Deutschland sogar erstmals seit dem Krisenjahr 2009 wieder eine Rezession?

Nachfolgend jeweils zwei Gründe, die für und gegen eine Rezession sprechen:

Das spricht für eine Rezession

EXPORTE: Bislang haben sich die Exporteure wacker geschlagen. Um mehr als vier Prozent haben sie ihren Auslandsumsatz in den ersten neun Monaten gesteigert, die Umsatzgrenze von einer Billion Euro dürfte das zweite Jahr in Folge geknackt werden. Doch die Tendenz zeigt deutlich nach unten: Im September fielen die Ausfuhren um 3,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat - das war das erste Minus seit Anfang 2010 und zugleich das stärkste seit November 2009.

Grund: Die Nachfrage aus den Euro-Ländern - wohin etwa 40 Prozent der Waren "Made in Germany" gehen - bricht wegen der Rezession in Italien, Spanien & Co ein. Sie fiel um 9,1 Prozent. Besserung ist nicht in Sicht. Die Industrieaufträge aus der Euro-Zone sanken zuletzt um 9,6 Prozent.

Und die EU-Kommission sagt wichtigen Handelspartnern wie Italien und Spanien auch für 2013 eine Rezession voraus. "Außenwirtschaftliche Impulse dürften in den kommenden Monaten ausbleiben", befürchtet das Bundeswirtschaftsministerium. "Das nächste Jahr wird zäh", sagt der Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Volker Treier.

INVESTITIONEN: Wegen der ungewissen Aussichten - nicht zuletzt im Exportgeschäft - investieren viele Unternehmen weniger. Seit Ende 2011 gehen ihre Investitionen in Maschinen, Anlagen und Geräte von Quartal zu Quartal zurück. "Das ist gewöhnlich ein Vorbote für eine Rezession", sagt der Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn.

Die Investitionen dürften in diesem Jahr um 3,3 Prozent schrumpfen, sagen die Wirtschaftsweisen in ihrem Gutachten für die Bundesregierung voraus. 2013 rechnen sie nicht mit einer echten Erholung, sondern nur mit einem Mini-Wachstum von 0,2 Prozent. 2011 sah das noch ganz anders aus: Damals zogen die Ausrüstungsinvestitionen um 7,0 Prozent an und verhalfen der Wirtschaft zu einem kräftigen Wachstum von 3,0 Prozent. "Die Unternehmen warten ab, wie sich die Schuldenkrise weiter entwickelt", sagt DekaBank-Ökonom Andreas Scheuerle.

Das spricht gegen eine Rezession

KONSUM: Das einstige Sorgenkind hat sich zur großen Stütze der deutschen Wirtschaft entwickelt. Wegen der niedrigen Arbeitslosigkeit und steigender Reallöhne sitzt das Geld bei den deutschen Verbrauchern wieder lockerer. Die Chancen stehen gut, dass dies auch so bleibt. Denn alle Experten sagen einen stabilen Arbeitsmarkt voraus. Die Wirtschaftsweisen rechnen für 2013 sogar mit einem Beschäftigungsrekord.

Zudem sollen die Bruttolöhne mit 3,2 Prozent fast genauso schnell steigen wie im zu Ende gehenden Jahr mit 3,7 Prozent. Entlastet werden viele Deutsche zudem von der Senkung des Beitragssatzes zur gesetzlichen Krankenversicherung, der von 19,6 auf 18,9 Prozent fällt. Zusätzlich entfallen die zehn Euro Praxisgebühr pro Quartal. "Es ist aus heutiger Sicht unwahrscheinlich, dass der Konsum in den kommenden Monaten nachgibt", sagt der Präsident des Einzelhandelsverbandes HDE, Josef Sanktjohanser.

BAUBOOM: Stabiler Arbeitsmarkt gepaart mit extrem niedrigen Zinsen - diese Mischung sorgt seit vielen Monaten für einen Boom des Wohnungsbaus in Deutschland. Und der dürfte sich fortsetzen. "Die Konjunktur wird weiterhin dadurch unterstützt, dass der Wohnungsbau von den günstigen Finanzierungsbedingungen, dem Mangel an Alternativanlagen und der gestiegenen Verunsicherung profitiert", ist sich die Bundesbank sicher.

Das strahlt auf viele Bereiche ab - vom Handwerk über baunahe Dienstleister bis hin zu Baumärkten. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) erwartet, dass die Branche nach der Stagnation in diesem Jahr um fünf Prozent wachsen wird - auch weil die Kommunen angesichts rekordhoher Steuereinnahmen wieder mehr investieren dürften.

(Reuters)
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