EU-Mitglied vor dem Bankrott Griechen brauchen weitere 40 Milliarden Euro

Berlin/Brüssel (RP). Die EU-Staaten diskutieren jetzt auch offiziell über ein neues Hilfspaket für Griechenland. In der Berliner Koalition mehren sich die kritischen Stimmen gegen noch mehr Hilfe. Den griechischen Gewerkschaften ist das Sparpaket schon jetzt zu hart: Für den Mittwoch ist ein Generalstreik geplant.

Der Euro-Rettungsschirm ESM
Infos

Der Euro-Rettungsschirm ESM

Infos
Foto: dpa, Boris Roessler

Die EU-Staaten debattieren über weitere Hilfskredite für das hoch verschuldete Griechenland in Höhe von etwa 40 Milliarden Euro, in EU-Kreisen ist sogar von 60 Milliarden Euro die Rede.

EU-Währungskommissar Olli Rehn bestätigte gestern erstmals offiziell, dass Entscheidungen zu weiteren Hilfen vorbereitet werden. Eine endgültige Entscheidung über dieses zweite Hilfspaket für Athen wollen die EU-Staaten allerdings erst in den kommenden Wochen treffen. Zunächst solle ein Bericht der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) über die Schuldentragfähigkeit des hoch verschuldeten Landes abgewartet werden, sagte am Dienstag Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Vertreter dieser sogenannten Troika begannen gestern in Athen mit der Prüfung.

Davon hängt auch die Auszahlung der nächsten Kredittranche des bereits bestehenden 110-Milliarden-Euro-Rettungspakets für Griechenland ab. Insbesondere der mächtige IWF-Anteilseigener USA hält die Sparbemühungen Athens aber nicht für ausreichend, um weitere Kredite frei zu geben. IWF-Chef Dominique Strauß-Kahn will daher kommende Woche an der Sitzung der Finanzminister teilnehmen und seinem Ärger Luft machen.

Bereits am Freitagabend hatten überraschend die Finanzminister der vier größten Euro-Staaten in Luxemburg über die abermalige Zuspitzung der griechischen Schuldenkrise beraten.

Zweifel am Erfolg Griechenlands

Anlass waren offenbar aufkeimende Zweifel an der Fähigkeit der sozialistischen Regierung, Zusagen einzuhalten und Beschlüsse umzusetzen. Fällige Steuern würden von den griechischen Behörden nicht eingetrieben, hieß es in EU-Kreisen. Zudem hatte Athen zugesagt, bis 2014 Staatsvermögen im Umfang von 50 Milliarden Euro zu privatisieren. Im Gegenzug hatte die EU Athen einen Zinsnachlass und längere Rückzahlungsfristen für das bestehende Hilfspaket gewährt. Die Privatisierungspläne wurden aber bisher nicht angegangen. Für den Mittwoch haben die griechischen Gewerkschaften zu einem 24-stündigen Generalstreik aufgerufen.

Zwischen 11 Uhr und 15 Uhr legen unter anderem Angestellte des öffentlichen Dienstes, Lokführer und Journalisten ihre Arbeit nieder. Auch Krankenhäuser dürften betroffen sein. Während des bereits zweiten Generalstreiks in diesem Jahr sind in Athen und Thessaloniki Kundgebungen geplant. Der deutsche Reiseveranstalter TUI änderte nach eigenen Angaben wegen des Streiks der Fluglotsen seine Flugzeiten, um die Auswirkungen zu minimieren.

Schäuble-Berater verlangt rasche Umschuldung

Der Ökonom und Regierungsberater Clemens Fuest hat einen zügigen Schuldenerlass für Griechenland gefordert. "Die Umschuldung Griechenlands muss jetzt vorbereitet und im Sommer 2012 umgesetzt werden", sagte Fuest gwegenüber unserer Redaktion. Damit die Finanzmärkte wieder Vertrauen in Griechenland fassen könnten, müsse die Verschuldung des Landes von derzeit 150 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf 50 bis 60 Prozent gesenkt werden.

"Das bedeutet, dass die Gläubiger auf 60 bis 70 Prozent ihrer Forderungen verzichten müssen", sagte Fuest. In Deutschland bekämen im Falle einer Umschuldung vor allem staatliche Banken wie die Hypo Real Estate ihr Geld zu einem Großteil nicht zurück. "Zahlt Griechenland seine Schulden bei diesen Banken nicht zurück, haftet am Ende der deutsche Steuerzahler", sagte Fuest. Der Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats von Finanzminister Wolfgang Schäuble riet aber von einem Euro-Austritt ab. "Ein Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone wäre derzeit der falsche Schritt."

Während Ökonomen und zunehmend auch Politiker zu einer Umschuldung Griechenlands raten, stemmen sich die EZB und die Mehrheit der EU-Regierungen dagegen. Eine Umschuldung wäre "politischer Selbstmord", sagte EZB-Direktoriumsmitglied Lorenzo Bini Smaghi. Auch EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark forderte Griechenland auf, das vor einem Jahr ausgehandelte Spar- und Reformprogramm umzusetzen. Die EZB hat selbst griechische Staatsanleihen für Milliarden angekauft, die sie bei einer Umschuldung abschreiben müsste.

Auch die französische Finanzministerin Christine Lagarde hat sich strikt gegen eine Umschuldung Griechenlands ausgesprochen. "Wir schließen das in welcher Form auch immer absolut aus", sagte Lagarde der Zeitung "Le Figaro". Auch stelle sich die Frage nach einem Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone nicht. Die Investoren könnten beruhigt sein. Eine Umschuldung sei deshalb keine Option, da dies für alle Mitgliedsländer der Euro-Zone höhere Zinsen bedeuten würde, sagte die Ministerin. Zudem würde die Europäische Zentralbank Verluste erleiden, da sie Anleihen Griechenlands besitzt.

Widerstand gegen weitere Hilfen

Ein neues Hilfspaket ist jedoch wahrscheinlich, weil sich längst abzeichnet, dass Griechenland auch 2012 nicht in der Lage sein wird, genügend Geld am Kapitalmarkt einzusammeln, um sich zu refinanzieren. Gegen weitere deutsche Garantien für Hilfskredite regt sich jedoch Widerstand in der Koalition. "Bevor man über weitere Hilfen redet, muss Griechenland erst einmal sicherstellen, dass alle Spar- und Reformmaßnahmen ordnungsgemäß umgesetzt werden", sagte Unionsfraktionsvize Michael Meister. "Ich hätte gern ein Signal, dass das endlich passiert." Auch CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach sagte: "Es gibt von uns keinen Freibrief für weitere Hilfen an Athen."

Die FDP forderte erneut Korrekturen beim Euro-Rettungspaket. "Wir stehen zwar für europäische Solidarität, aber wenden uns gegen eine Haftungsunion. Wir wollen wirksame Stabilitätsvorgaben. Da muss nachgearbeitet werden", sagte der Chef der NRW-FDP, Daniel Bahr, unserer Redaktion. "Verstößen gegen die Maastricht-Kriterien müssen Sanktionen folgen. Staaten dürfen nicht dauerhaft am Tropf hängen, der EU-Rettungsschirm kann nur eine allerletzte Möglichkeit sein und muss an Bedingungen geknüpft sein." Es müsse klar sein, dass die EU-Staatschefs keine Entscheidung durchpeitschen könnten, so Bahr. "Der Bundestag muss immer das letzte Wort haben. Ohne Parlamentszustimmung gibt es kein Geld oder Garantien."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort