Steuerhinterziehung Hoeneß-Effekt: Selbstanzeigen verdreifacht

Berlin/Düsseldorf · 2013 haben sich fast 24 100 Steuerhinterzieher selbst bei den Finanzbehörden angezeigt – dreimal mehr als im Jahr 2012. Experten gehen davon aus, dass die Selbstanzeige des Bayern-Präsidenten viele Nachahmer gefunden hat.

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2013 haben sich fast 24 100 Steuerhinterzieher selbst bei den Finanzbehörden angezeigt — dreimal mehr als im Jahr 2012. Experten gehen davon aus, dass die Selbstanzeige des Bayern-Präsidenten viele Nachahmer gefunden hat.

Steuerexperten sprechen vom "Hoeneß-Effekt": Nach der spektakulären Selbstanzeige des Präsidenten des FC Bayern, Uli Hoeneß, bei seinem Finanzamt Anfang 2013 ist die Zahl der Selbstanzeigen reuiger Steuersünder im Verlauf des vergangenen Jahres stark in die Höhe geschnellt. Nach Umfragen mehrerer Medien bei allen 16 Bundesländern stieg die Zahl der Selbstanzeigen 2013 auf insgesamt fast 24.100 — das sind drei Mal mehr als im Jahr davor. 2012 hatten sich nur 8100 Steuerhinterzieher bei den Finanzbehörden gemeldet. Allein in Nordrhein-Westfalen gaben im vergangenen Jahr 4257 Betroffene eine Selbstanzeige ab.

Die Einnahmen aus den nachversteuerten Einkünften, die allerdings teilweise auch aus Selbstanzeigen früherer Jahre resultierten, summierten sich im vergangenen Jahr auf 3,5 Milliarden Euro, berichtete die "Süddeutsche Zeitung". Nach einer Schätzung des nordrhein-westfälischen Finanzministeriums flossen allein der Landeskasse 850 Millionen Euro zu.

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Foto: dpa, Andreas Gebert

Spitzenreiter bei den Selbstanzeigen war im vergangenen Jahr das Land Baden-Württemberg mit 6080 Selbstanzeigen. Aus Bayern stammten 3900 Anzeigen. Die wenigsten Selbstanzeigen gab es mit nur 21 in Mecklenburg-Vorpommern. Allein zwischen Anfang November und Anfang Dezember 2013 gingen bundesweit 4000 Selbstanzeigen ein.

Experten sehen den Grund im Anschwellen der Anzeigen nicht nur im schlechten Gewissen der Betroffenen. Die Schweizer Banken hatten nach Bekanntwerden des Falls Hoeneß den Druck auf ihre deutschen Kunden verschärft: In Briefen hatten sie die Kunden aufgefordert, gegenüber dem Finanzamt reinen Tisch zu machen. Andernfalls müsse man die Konten auflösen.

Zudem haben viele Bundesländer mit dem Ankauf von Steuer-CDs aus der Schweiz das Risiko erhöht, entdeckt zu werden. Dabei war kein Bundesland so aktiv wie NRW. Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) soll seit 2010 mindestens vier Datensätze erworben haben. Mit Selbstanzeigen versuchen nun immer mehr Betroffene, wenigstens eine Vorstrafe wegen Steuerbetrugs zu umgehen. Von Anfang 2010 bis November 2013 haben sich insgesamt bereits 11.602 NRW-Bürger mit offenbar problematischen Auslandsvermögen selbst angezeigt. Allein im letzten November gingen in NRW 660 Anzeigen ein — das war der höchste Einzelwert seit Mai 2010, als sich unmittelbar nach einem besonders spektakulären CD-Ankauf 1432 Bürger angezeigt hatten.

Die starke Zunahme der Selbstanzeigen dürfte auch damit zu erklären sein, dass die große Koalition die Kriterien für die Straffreiheit bei Selbstanzeigen verschärfen will. Union und SPD wollen die Verjährungsfristen für Selbstanzeiger von bislang in der Regel fünf auf zehn Jahre verlängern. "Der Steuerpflichtige müsste dann, um Straffreiheit für die letzten fünf Jahre zu erlangen, auch für die weiter zurückliegenden fünf Jahre alle Angaben berichtigen, ergänzen oder nachholen", heißt es im Koalitionsvertrag.

"Damit wächst auch das Risiko für Selbstanzeiger", sagte der auf Steuerstrafrecht spezialisierte Jurist Simon-Alexander Zeidler von der Düsseldorfer Kanzlei SGT Rechtsanwälte. Denn eine Selbstanzeige sei nur gültig, wenn sie vollständig sei. Mit einer unvollständigen Selbstanzeige liefere der Betroffene den Fahndern nur neues belastendes Material gegen sich. "Bei einer doppelt so langen Verjährungsfrist steigt auch die Gefahr für den Selbstanzeiger deutlich, ein Detail zu übersehen und die Selbstanzeige damit zu ruinieren", sagte Zeidler.

Durch Verzögerungen bei der Steuererklärung könne der Beginn des in der Selbstanzeige zu dokumentierenden Zeitraumes außerdem auch bis zu 13 Jahre zurückliegen. "Banken müssen die entsprechenden Dokumente aber nur zehn Jahre lang aufbewahren", so Zeidler, "Das bedeutet: Mit der Verdoppelung der Verjährungsfrist haben die Betroffenen unter Umständen schon technisch gar keine Möglichkeit mehr zu einer vollständigen Selbstanzeige."

(mar)
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