Europa in der Schuldenkrise Irland braucht 85 Milliarden Euro

Dublin (RPO). Das hoch verschuldete Irland will sein ausuferndes Defizit mit Steuererhöhungen und Kürzungen im Sozialsystem in den Griff bekommen. Das kündigte der irische Ministerpräsident am Mittwoch an. Irland kann mit Finanzhilfen von mehr als 85 Milliarden Euro rechnen.

 Der irische Premierminister Brian Cowen (l.) hat den Machtkampf in seiner Partei ohne größere Blessuren überstanden.

Der irische Premierminister Brian Cowen (l.) hat den Machtkampf in seiner Partei ohne größere Blessuren überstanden.

Foto: AFP, AFP

Die angeschlagene Regierung von Ministerpräsident Brian Cowen kündigte am Mittwoch in ihrem mit Spannung erwarteten Sparprogramm an, die Staatsausgaben in den kommenden vier Jahren um zehn Milliarden Euro zu kürzen und fünf Milliarden Euro zusätzlich durch Steuererhöhungen einzunehmen. Die Entlastungen von insgesamt 20 Milliarden Euro sollen zur Bewältigung der dramatischen Bankenkrise des Landes beitragen.

Die Regierung will bei ihren Anstrengungen jedoch den im EU-Vergleich sehr niedrigen Gewerbesteuersatz bei 12,5 Prozent belassen. Andere EU-Länder hatten Irland dazu aufgefordert, diesen Satz zu erhöhen, den sie als Verzerrung des Wettbewerbs kritisieren.

Mit den Einsparungen will sich Irland auch die Chancen auf eine dringend benötigte Geldspritze von Internationalem Währungsfonds (IWF) und EU erhalten, die etwa 85 Milliarden Euro umfassen soll. Irland war am Wochenende nach langem Zögern unter den Euro-Rettungsschirm geschlüpft. Als Voraussetzung für erste Finanzspritzen gilt die Verabschiedung des Haushalts - auf dem Weg dahin ist das nun angekündigte Sparprogramm nur ein erster Schritt.

Endgültiger Umfang der Hilfe steht noch nicht fest

Die irische Regierung hat laut Ministerpräsident Brian Cowen mit der EU und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über Finanzhilfen im Umfang von 85 Milliarden Euro gesprochen. Der endgültige Umfang der Hilfen aus dem Euro-Schutzschirm stehe aber noch nicht fest, sagte er am Mittwoch vor dem Parlament in Dublin.

Die deutsche Bundesregierung wollte Zahlen zum vermuteten Umfang des irischen Rettungspaketes nicht nennen. Derzeit führten Europäische Zentralbank, EU-Kommission und IWF noch ihre Prüfungen über das Programm und dessen Auflagen durch, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. "Wenn diese abgeschlossen sind, wird man ermessen können, wie hoch der Hilfsbedarf ist." Jetzt schon eine Zahl zu nennen, sei "schwer vorstellbar".

EU-Finanzkommissar Olli Rehn lobt das Sparpaket aus Dublin als ausgewogen. Irlands Entschlossenheit, sein Defizit abzubauen, biete ein "solides Fundament" für die bevorstehenden Verhandlungen.

Erste Demonstrationen

Vor den Absperrungen vor Cowens Amtssitz versammelten sich rund 100 Demonstranten, um gegen die Sparpolitik der Regierung zu demonstrieren. "Das ist ein Fahrplan zurück in die Steinzeit", sagte Jack O'Connor, Präsident der größten irischen Gewerkschaft SIPTU. "Irland braucht einen Plan für Wachstum, dieser Plan aber wird genau das Gegenteil erreichen."

Analysten skeptisch

Der irische Radiosender RTE meldete unterdessen, etwa die Hälfte der 85 Milliarden Euro aus dem Rettungspaket sei zur Deckung des Staatsdefizits bis 2013 vorgesehen und der Rest zur Aufstockung der Barreserven der Banken. Finanzanalysten äußerten sich skeptisch über Cowens Angaben und erklärten, zur Rettung Irlands vor dem Staatsbankrott sei wesentlich mehr Geld notwendig.

Der Finanzexperte Constantin Gurdgiev vom Trinity College in Dublin sagte: "Die Regierung verschließt die Augen vor der Tatsache, wie viel Geld sie sich leihen muss." Irland benötige zwischen 120 Milliarden Euro und 130 Milliarden Euro zu einem niedrigen Zinssatz, um sein Defizit nicht noch weiter zu erhöhen. Gurdgiev verglich die Lage Irlands mit der Griechenlands. "Unsere Wirtschaft ist mehr als drei Mal so überschuldet wie Griechenland", sagte er. "Wenn Griechenland insolvent ist, was sind wir dann?"

An der Börse in Dublin setzten die Bankenwerte am Mittwoch den dritten Tag in Folge ihre Talfahrt fort. Die Aktie der Bank of Ireland fiel um 27 Prozent auf ein Rekordtief von 0,22 Euro. Die Werte der Allied Irish brachen um 28 Prozent auf 0,27 Euro ein.

(Reuters/dapd)
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