Krankenkasse unter Druck AOK zahlt bei Flüchtlingen drauf

Düsseldorf · Die Krankenkasse AOK Rheinland/Hamburg will für ihre vielen Hartz-IV-Empfänger und Asylbewerber mehr Geld vom Staat. Sonst drohten höhere Beiträge für die Versicherten, sagt AOK-Chef Wältermann.

 Ein Arzt untersucht in einer Flüchtlingsnotunterkunft in Berlin ein Flüchtlingskind aus Mazedonien (Archivbild).

Ein Arzt untersucht in einer Flüchtlingsnotunterkunft in Berlin ein Flüchtlingskind aus Mazedonien (Archivbild).

Foto: dpa, nie rho

Wegen der steigenden Kosten für die Versorgung von Flüchtlingen im Gesundheitssystem schlägt die AOK Rheinland/Hamburg Alarm. Sie fordert dauerhaft höhere Steuerzuschüsse für die Krankenkassen und eine gerechtere Verteilung der vorhandenen Mittel auf die einzelnen Kassen.

Die Bundesregierung plant, im kommenden Jahr eine Milliarde Euro zusätzlich aus den Rücklagen des Gesundheitsfonds an die Krankenkassen auszuschütten. Mit dem Geld soll die durch die Flüchtlingskrise stark gestiegene Zahl an Arbeitslosengeld-II-Empfängern versorgt werden. Die gesetzlichen Regelungen dazu sind am Montag Gegenstand einer Expertenanhörung im Bundestag.

Allein für 2016 rechnet die Bundesagentur für Arbeit wegen der Flüchtlingsbewegung mit zusätzlich 350.000 Hartz-IV-Empfängern. Flüchtlinge, die einen Aufenthaltsstatus haben, aber noch nicht erwerbstätig sind, leben in der Regel von Langzeitarbeitslosengeld, also von Hartz IV.

"Beitragszahler schultern alleine gesamtgesellschaftliche Aufgabe"

"Für einen Arbeitslosengeld-II-Empfänger zahlt die Bundesagentur aktuell 90 Euro im Monat an die Krankenkassen. Die durchschnittlichen monatlichen Kosten liegen aber bei 138 Euro", bemängelt der Chef der AOK Rheinland/Hamburg, Günter Wältermann. Dauerhaft müsse der Zuschuss erhöht und aus Steuermitteln finanziert werden: "Andernfalls schultern Beitragszahler alleine eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe - die Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen und Langzeitarbeitslosen."

Insbesondere bei den Sozialpolitikern der Regierungsfraktionen wird die Krankenkasse auf offene Ohren stoßen. Sie hatten von Anfang an den Plan von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) kritisiert, die Beitragszahler für die zusätzlichen Lasten im Gesundheitswesen infolge der Flüchtlingskrise aufkommen zu lassen.

Das Geld, das aus dem Gesundheitsfonds für die Kassen bereitgestellt werden soll, wird im Bundestagswahljahr 2017 finanziellen Druck von den Kassen nehmen und die Gefahr einer deutlichen Erhöhung der Zusatzbeiträge abwenden.

Zusätzliche Mittel für stark belastete Kassen

Doch das kommt nicht den Kassen zugute, die überdurchschnittlich viele Hartz-IV-Empfänger haben. Die für das kommende Jahr bereitgestellte eine Milliarde Euro aus dem Gesundheitsfonds muss nach Ansicht Wältermanns deshalb gezielt "an diese Kassen verteilt werden".

Einer Statistik der AOK Rheinland zufolge betreut die Kasse überproportional viele Hartz-IV-Empfänger. Demnach versichere die im Rheinland angesiedelte Kasse vier Prozent der Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Von den Hartz-IV-Beziehern in der GKV seien es aber zehn Prozent, die bei der AOK Hamburg/Rheinland versichert seien. "Das Geld muss dort ankommen, wo es gebraucht wird: Arbeitslosengeld-II-Empfänger benötigen in der Regel mehr Leistungen als vergleichbare Beschäftigte", sagte Wältermann. Sonst drohe eine Wettbewerbsverzerrung im Kassensystem. Die Finanzverteilung zwischen den Krankenkassen gleiche das nicht aus.

Das Problem einer relativ hohen Zahl von Flüchtlingen, die auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen sind, wird auch in den nächsten Jahren erhalten bleiben. Der Bildungsstand der Flüchtlinge ist deutlich niedriger als der der einheimischen Bevölkerung. Nach den Erfahrungswerten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung findet erst jeder zehnte Flüchtling im ersten Jahr einen Job. Innerhalb der ersten fünf Jahre in Deutschland geht etwa die Hälfte einer Erwerbsarbeit nach.

(qua)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort